Programm Sachbuch
Mit der Miete für sein armseliges Pariser Appartement im Rückstand und keine Aufträge in Aussicht beschließt Eugène Tarpon, Privatdetektiv und ehemaliger Gendarm, seinen Beruf an den Nagel zu hängen, als er mitten in der Nacht aus seinem alkoholisierten Schlaf gerissen wird. Eine hübsche junge Frau bittet um Hilfe, da ihre Zimmergenossin, ein Filmsternchen, brutal ermordet wurde. Seinen Rat, die Polizei einzuschalten, schlägt sie aus und ihn k.o. ... Tarpon beginnt zu ermitteln. Dabei gerät er zwischen die Fronten der örtlichen Polizei, amerikanischer Mafiosi sowie politischer Fanatiker und befindet sich plötzlich in Lebensgefahr, als er erkennt, wer der Mörder ist...
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Volles Leichenhaus
Der Montag war besonders deprimierend. Um neun Uhr klingelte der Wecker, und ich setzte mich auf das Bett. Falls man dazu Bett sagen konnte. Übrigens hatte ich schon seit zwei Stunden nicht mehr richtig geschlafen, nur gedöst. Hingelegt hatte ich mich abends um halb elf. Ich schlafe viel. Oder döse viel, na ja, je nachdem.
Ich brachte mein Lager halbwegs in Ordnung, deckte den abgenutzten blauen Samtüberzug wieder drauf, klappte das Rückenteil und die Armlehnen hoch und schob das Ganze an die Wand. Doch, sah fast wie ein Sofa aus.
Ich hatte nur Unterhosen an. Es war kühl. Ein beschissener Frühling in diesem Jahr, und nun begann es zu regnen, im Hof hinter dem Milchglasfenster und wahrscheinlich in der übrigen Stadt auch. Ich lüftete trotzdem, mit dem Erfolg, daß das Wasser nun innen die Wand runterlief. Also machte ich wieder zu. Ich sortierte die Zeitungen im Zeitungsständer, alles alte Ausgaben, Express, Paris-Match, Lectures pour Tous und eine einzelne Newsweek. Nicht, daß ich Amerikanisch oder so spreche, aber das wirkt international, damit hat man Format.
Für wen eigentlich?
Ich schlurfte durch das Büro in die Küche. Am Ausguß wusch ich mir kurz das Gesicht und rasierte mich. Wie immer beim Rasieren sah ich in den rechteckigen Spiegel, der an der Wasserleitung hing. Zu alledem schnitt ich mich auch noch und konnte lange die Blutung nicht stillen. Es war fast zehn, als ich meine Zwei-Zimmer-Küche-Diele-Wohnung verließ. Auf dem Treppenabsatz steuerte ich kurz das Gemeinschaftsklo an, dann ging ich (vier Etagen ohne Aufzug) runter an die Ecke Rue Saint-Martin einen Kaffee trinken. Auf der Straße die übliche Autoflut, vor zehn Jahren hätte man Stau dazu gesagt, mittlerweile fand man den Verkehr «flüssig». Flüssig vielleicht - abgasgeschwängert ganz sicher. Die Nutten hatten schon den Rückzug in die Hoteleingänge angetreten. In zehn Jahren werden sie selbst dort die Stellung nicht mehr halten können, dann wird ihnen die Luft ganz ausgehen, oder sie müssen zum Anschaffen raus aufs Land.
Für den Kaffee mußte ich meinen letzten Hunderter anreißen. Der Gang zur Bank war unvermeidbar, doch was hatte ich noch auf der Bank? Nicht mal mehr einen Riesen. Und in sechs Wochen war die Miete fällig. Einhundertzwanzigtausend alte Franc. Es sah schlecht aus.
Ich stieg wieder zu mir hoch, und die vier Etagen gingen mir ganz schön in die Beine. Kein Wunder, daß niemand zu mir raufkam. Wie lange war ich eigentlich schon hier? Drei Monate, noch nicht ganz. Meine gesamten Ersparnisse waren dabei draufgegangen. Ich stand vor meiner Tür und betrachtete die angezweckte Visitenkarte. E. TARPON, Ermittlungen. Die Ecken verbogen sich langsam, aber sicher und vergilbten auch. Vielleicht sollte ich unten ein Schild anbringen? Ach nein. Heutzutage rufen die Leute immer zuerst an. In diesem Moment klingelte drinnen das Telefon.
Ich holte schnell meine Schlüssel raus und ging rein. Ich lief durch das Vorzimmer, das heißt mein Schlafzimmer, und hob auf dem Schreibtisch im Büro den Hörer ab.
«Eugène?»
«Wer ist am Apparat?» fragte ich.
«Foran. Weißt du noch?»
«Und ob! Du bist in Paris?»
«Seit drei Wochen. Ich bin auch gegangen.»
«Ah so. Weshalb denn?»
«Erkläre ich dir später. Kann ich dich treffen?»
«Na ja, schon», brummte ich...
«Wir essen zusammen. Du wohnst doch an den Hallen, oder? Da gibt es wenigstens noch gute Bistros. Ich hol dich ab.»
Ich sagte, daß ich einverstanden sei, und er sagte mir, er könne jetzt nicht länger sprechen, daß er mir aber alles erzählen würde, daß wir beim Essen reden würden, und dann legte er auf und ich auch. Besondere Lust, diesen Foran zu sehen, hatte ich nicht.
Von seinem Anruf bis zu seinem Eintreffen geschah nichts Besonderes. Ich machte meinen Frühsport. Ich wusch in der Küche ein paar Sachen und hängte sie zum Trocknen auf. Ich war gerade mit dem Aufhängen fertig, als es klingelte. Halb zwölf, für Foran etwas zu früh, vielleicht ein Klient. Ich trocknete mir die Hände ab, zog mein Jackett wieder über und ging aufmachen. Die Zeugen Jehovas. Höflich bat ich sie, sich zum Teufel zu scheren. Sie ließen mir ein Traktat da, das ich ungelesen wegwarf. So war wenigstens etwas in meinem Papierkorb.
Das sah nach Arbeit aus.
Dann nahm ich mir ein Buch aus dem Regal im Vorzimmer und setzte mich auf das blaue Sofa. Ich hörte die Nähmaschine von dem Schneider über mir, er heißt Stanislavski. In dem Buch ging es um den Generationskonflikt. Es spielte bei Reichen, und da gab es ein Balg, das auf die schiefe Bahn geriet und einen auf Hippie machen wollte. Der Vater kämpfte mit ganzer Kraft gegen diese gefährliche Neigung an, und es gelang ihm, die Oberhand zu gewinnen, doch nach und nach verging ihm der Spaß an seinem eigenen Leben, und als das Balg sich endlich dazu entschloß zu spuren und wie jedermann Führungskraft zu werden, machte sich plötzlich der Vater aus dem Staub. Er tauchte nie mehr auf, und dabei beließ es der Autor, was mir ziemlich unfair vorkam. Was sich dann abgespielt hat, hätte ich gern gewußt. Was dem Vater passiert ist. Wahrscheinlich war der Autor unfähig, sich das auszudenken.
Abermals wurde die Klingel betätigt. Ich legte mein Buch weg und machte auf. Foran. Er hatte weiter an Gewicht zugelegt, doch er war in Zivil, so daß er nicht mehr so nach Hermann Göring aussah wie früher. Er trug einen blauen Anzug mit roter Krawatte zu weißem Hemd, und auch sein Gesicht zeigte Flagge, kleine blaue Augen in der aufgedunsenen roten Visage unter strohblondem Bürstenhaar. Er japste. Er stand einen Moment da und brachte nichts heraus, dann sagte er:
«Die haut einen ja um, deine Treppe. Die Klienten kommen hier hoch?»
Ich zuckte mit den Schultern.
«Wie geht's dir?» fragte ich.
«Es geht. Kannst du mir was anbieten?»
Ich ging vor ins Büro.
«Setz dich.»
Ich lief rüber in die Küche und machte die Tür hinter mir zu, damit er nicht nachkam. Ich goß zwei Ricard ein und stellte sie zusammen mit einer Wasserkaraffe auf ein Tablett und ging ins Büro zurück.
«Eis hab ich keins», teilte ich ihm mit.
Er antwortete nicht. Er hatte sich nicht gesetzt. Er spazierte im Zimmer herum und besah sich alles, den Schreibtisch aus hellem Eichenimitat mit Schubfächern an beiden Seiten, den leeren Aktenschrank aus Metall, den Sperrholzstuhl und den Skai-Sessel. Einen Martini-Aschenbecher auf dem Schreibtisch und eine Lampe. Das Traktat der Zeugen Jehovas im Papierkorb. Brandflecken von Zigaretten auf dem Teppichboden.
«Wie laufen die Geschäfte?» fragte er.
«Wie du siehst.»
«Nicht besonders?»
Ich zuckte wieder mit den Schultern. Er goß Wasser in jedes Glas und stieß mit seinem an meinem an, das ich mir noch nicht genommen hatte.
«Gerade deshalb wollte ich dich ja sehen», erklärte er. «Um dir einen Job anzubieten. Du wärst also frei, wenn ich das richtig verstehe?»
«Was für einen Job?»
«Wir reden beim Essen drüber.»
Ich hatte keine Lust, mit ihm zu essen.
«Was für einen Job?» wiederholte ich.
Er setzte sich in den Sessel, schwenkte den Ricard in seinem Glas und sah mich lächelnd an.
«Immer noch verbittert, was? Immer noch mißtrauisch? Eine richtige Mimose, was? Du mußt auf den Boden der Tatsachen zurückkommen, Eugène. Du machst hier rein gar nichts, und das wissen wir beide. Vielleicht ein oder zwei Fälle, seit du aufgemacht hast. Eine Scheidung. Einen Buchhalter beschatten. Bestenfalls, wenn überhaupt! Irre ich mich?»
Ich setzte mich auf den Stuhl und probierte meinen lauwarmen Ricard.
«Du gehst mir auf die Nerven, Foran. Erzähl mir deine kleine Geschichte. Anschließend gehen wir vielleicht zusammen essen. Aber auf getrennte Rechnung. Soweit zu uns beiden.»
Er lächelte einen Moment lang weiter, dann hielt sein Lächeln nicht mehr.
«Schon gut, schon gut. Wenn das so ist. Ich stelle eine Mannschaft zusammen. Auch Privatpolizei, aber bei mir sind das konkrete Projekte, keine Luftschlösser. Ich hab schon Kontakte geknüpft, mit großen Buden. Bei dem Job geht's um die Schulung und militärische Organisation von Wachen. Nur, wir müßten zu fünft oder sechst sein. Da hab ich an dich gedacht.»
«Militärische Organisation von Wachen», wiederholte ich. «Was für Wachen?»
«Betriebswachen, wenn du so willst.»
«Verstehe.»
«Das kommt doch jetzt genau richtig», beteuerte er, und das Lächeln breitete sich wieder über seine Visage.
«Verstehe», wiederholte ich. «Hau ab.»
Er glaubte, sich verhört zu haben.
«Raus», sagte ich. «Verschwinde. Leck mich.»
Er wurde nicht einmal wütend. Er stand kopfschüttelnd auf, die fleischigen Lippen zu einem belustigten Maul verzogen.
«Solltest dich nicht so aufregen», meinte er. «Aber ich versteh schon. Ich nehm es dir nicht übel. Ich laß dir meine Karte da.»
«Nicht nötig.»
«Du könntest deine Meinung ja ändern. So was kommt vor.»
«Adieu, Foran», sagte ich.
Er trank erst noch sein Glas aus und winkte mir ansatzweise mit seiner dicken kurzen Hand zu, dann ging er. Ich nahm die Karte, die er auf eine Ecke des Schreibtischs gelegt hatte. Braune Schrift auf Pappe in einem Farbton wie ranzige Butter, sah gar nicht wie eine Visitenkarte aus, eher wie der Berufsausweis von jemandem aus der Gastronomie, und darauf war zu lesen: Militärisch organisierte Überwachung von Industrieanlagen, und darunter: Charles Foran, Direktor, und darunter weiter: durch ehemalige Angehörige der Gendarmerie und der Streitkräfte. AUSSCHLIESSLICH FRANZÖSISCHES PERSONAL; und zuletzt eine Adresse in Saint-Cloud und eine Telefonnummer. Auf der Rückseite stand in verschnörkelten Buchstaben nur: MÜVI.
Ich drehte die Karte eine Weile hin und her, stieß dann einen tiefen Seufzer aus und zerriß sie. Die Stückchen warf ich in den Papierkorb zu dem mystischen Glaubenstraktat. Das sah zunehmend nach Arbeit aus. Bei dem Tempo konnte ich in einem halben oder einem Jahr mit einem vollen Korb rechnen.
Ich hatte noch zwei Eier im Kühlschrank und Käse. Das aß ich zu Mittag. Ich hatte keine Lust, runter etwas anderes kaufen zu gehen. Ich wusch die Pfanne ab, den Teller, das Besteck, mein Glas und das von Foran. Ich machte mir einen Nescafé und nahm ihn mit ins Vorzimmer. Die Blumen in der Vase auf dem kleinen runden Tisch waren verwelkt. Ich ging sie wegwerfen, kam zurück und setzte mich wieder auf das blaue Sofa. Ich blieb eine ganze Weile so hocken und tat gar nichts, dann las ich einige Seiten in dem Buch, das mir Stanislavski, der Schneider von oben, geliehen hatte, Die neue Gesellschaft von einem gewissen Merlino. Es stammt von 1893 und ist ziemlich schlecht gedruckt. Ich konnte irgendwie kein Interesse dafür aufbringen. Alles, was mir Stanislavski leiht, ist sehr seltsam.
Schließlich ging ich wieder ins Büro und nahm den Telefonhörer ab. Es dauerte etwas, bis ich zu der Nummer im Departement Allier durchgestellt wurde.
«Hallo?» hörte ich in der Ferne.
«Teilnehmer, bitte melden», drängte die Frau vom Amt.
«Hallo», meinte ich, «ist dort das Hotel Chartier?»
Es krachte mehrmals hintereinander in der Leitung, und ich hörte, wie jemand ungeduldig «Hallo? Hallo?» rief, dann wurde die Verbindung plötzlich gut, und die Stimme schmetterte in mein Ohr.
«Wer ist am Apparat?»
«Eugène Tarpon. Sind Sie es, Madame Marthe?»
Sie war es und wollte wissen, wie es mir ging, und ich sagte, gut, und fragte, ob sie meine Mutter holen könne. Sie antwortete, mache ich, und ich merkte, daß sie unzufrieden war, weil ich mir nicht die Zeit nahm, mit ihr die Dorfnachrichten durchzugehen und mich zu erkundigen, wer in letzter Zeit gestorben war und ähnlich erfreuliches Zeug.
Es dauerte etwas, bis meine Mutter an den Apparat kam. Sie wohnt zwar nur fünfzig Meter vom Hotel Chartier entfernt, ist aber neunundsechzig und kann sich nicht schnell fortbewegen. Außerdem hat sie nie vernünftig telefonieren gelernt. Ich verstand noch nicht einmal die Hälfte von dem, was sie schrie, und sie verstand fast nichts von dem, was ich sagte. Ich hatte immerzu im Hinterkopf, wieviel Einheiten den Bach runtergingen, und fragte mich, was mich der ganze Spaß noch kosten würde.
«Was sagst du?», schrie meine Mutter.
Sie schreit immer ins Telefon.
«Ich komme heim.»
«Ich verstehe nichts, Eugène, sprich lauter.»
«Ich komme ins Dorf zurück!»
Jetzt fing ich auch schon an zu brüllen.
«Du kommst heim?»
«Sag ich doch.»
«Mittwoch?»
«Genau, Mittwoch», seufzte ich. «Oder vielleicht morgen.»
«Machst du Urlaub?»
«Nein, Mama, ich komme richtig heim.»
Ach was, wozu sollte ich ihr es denn erklären?
«Ich verstehe dich sehr schlecht, weißt du, Eugène.»
«Ja, Mama. Das macht nichts. Ich erzähl dir alles morgen, wenn ich da bin.»
«Ja!» schrie sie unsicher, wie jemand, der taub ist.
«Kuß, Mama», sagte ich. «Bis morgen.»
«Ja.»
«Bis morgen!»
«Ja.»
Schweißgebadet hängte ich ein. Ich mixte mir einen Ricard. Es war erst fünf Uhr nachmittags, aber ich brauchte einen Schluck.
Als ich ruhiger war, also kurz darauf, rief ich am Gare de Lyon an, um mich nach einem Zug zu erkundigen. Es gab einen um 7.50 Uhr, der ewig lange in der Gegend von Vierzon herumzockelte, doch das war immer noch die bequemste Verbindung, und ich konnte hoffen, am späten Nachmittag zu Hause zu sein. Ich schrieb mir alles auf. Ich goß mir noch ein Glas ein.
Zur Abendessenszeit war ich besoffen und hatte das Gefühl, daß man mir den Kopf durch eine Boulekugel ersetzt hatte. Ich hatte meine Sachen gepackt, was nicht weiter schwierig war, und einen Brief an den Hauseigentümer geschrieben, worin folgendes stand: Er könne über die Wohnung verfügen, ob ich denn die Kaution wiederhaben und ihm nur das halbe Quartal bezahlen könnte, da ich ja wegziehe. Und daß er sich die Schlüssel bei Stanislavski abholen solle. Und daß ich die Möbel vor dem Ende der Woche ausräumen lassen wolle. Ich überlegte noch mal, ob es niemand andern gab, den ich von meiner Abreise in Kenntnis setzen könnte. Ich wußte genau, es gab niemanden, deshalb machte ich mir einen sechsten Ricard, das heißt, ich vergaß Wasser und Eis und trank ihn pur. Gar nicht so übel. Weit weniger übel als ein Pflasterstein mitten in die Fresse. Doch daran durfte ich nicht denken. Ich ging mit ungelenken Schritten in der Wohnung auf und ab. Ich hätte gern ein Radio oder einen Fernseher angestellt, um mich wie jedermann damit zudröhnen zu lassen, bis ich schließlich völlig weggetreten wäre. Draußen wurde es dämmrig, ich öffnete das Bürofenster und sah, daß es aufgehört hatte zu regnen. Wenn ich nun nicht zum Fenster hinaus-, sondern in einen Fernseher hineingesehen hätte, wäre ich vielleicht mit meiner eigenen Birne konfrontiert worden. Nur, alte Nachrichten werden ja nicht wiederholt.
Frage: «Aber bevor das geschah, wurden Sie doch selbst verletzt?»
Antwort: «Ja, das stimmt.»
F: «Sie traf ein Geschoß ins Gesicht?»
A: «Ja, das stimmt.»
F: «Ein Pflasterstein?»
A: «Ich glaube, ja, das stimmt.»
F: «Sie haben die Beherrschung verloren?»
Keine Antwort. Groß eingeblendet wurde das unschlüssige (und häßliche) Gesicht des Gendarmen Eugène Tarpon, dann Schnitt, ziemlich trostlose Kamerafahrt über die Kaserne, dann ...
Doch daran darf ich auf gar keinen Fall denken.
Volles Leichenhaus
«[...] Selten gab es einen liebenswerteren Privatdetektiv. Eugène Tarpon ist der Tradition nach erfolglos und moralisch, hilfsbereit und begriffsstutzig. Und alles mit einem wunderbar französischen Charme. Sehr empfehlenswert.»
www.mordlust.de
«[...] Geschickt balanciert Manchette zwischen überzogener Hommage an die Noir-Vorbilder und rasanter Groteske, und am Ende handelt es sich bei Eugène Tarpon doch um eine eigenständige französische Version eines Hardboiled-PI. Mit der Demontage der ich-erzählenden Heldenfigur löst sich Manchette von den Vorgaben und schlägt noch den letzten Stützpfosten aus der ohnehin düsteren Noir-Welt. Die Welt des Romans ist dennoch eher turbulent als trostlos. Witz und Lebendigkeit liegen dabei nicht in ausgefeilter Sprache, [...] sondern im virtuosen Anhäufen unerwarteter Action und ihrer Verzerrung ins Groteske durch den unbeholfenen Ermittler.»
Crime Corner
«[...] Jean-Patrick Manchette schreibt rasant und äußerst präzise. Er gemahnt mit seinen drastischen Szenen an James Ellroy, ergänzt diese Brutalität allerdings mit einem gehörigen Schuss schwarzen Humors.»
«Jean-Patrick Manchette gilt seit den Siebzigerjahren als einer der wichtigsten Schriftsteller Frankreichs. [...] Jean-Patrick Manchette schreibt rasant und gleichzeitig äußerst präzise. Er gemahnt mit seinen drastischen Szenen an James Ellroy, ergänzt diese Brutalität allerdings mit einem gehörigen Schuss schwarzen Humors.»
Urner Wochenblatt
«[...] Jean-Patrick Manchette, geboren 1942 in Marseille, gestorben 1995 in Paris, war der große stilistische Erneuerer des französischen Kriminalromans. Den dekonstruktivistischen ‹Néo-polar› als französische Antwort auf die amerikanische Hardboiled-Schule hat er erfunden.
[...] Manchettes Romane sind grell, knapp und brutal geschrieben. Er benutzt Ironie nicht nur als Mittel gnadenloser politischer Analyse, sondern auch, um das stilistische Korsett des Krimi-Genres aufzubrechen, dessen konservatives Grundprinzip auf Wiederherstellung von Ordnung durch Aufklärung ausgerichtet ist. ...»
suspekt
«[...] In seinem Klassiker ‹Volles Leichenhaus› bietet Jean-Patrick Manchette besten Crime Noir, in Chandler- und Hammett-Tradition lakonisch und temporeich erzählt, zugleich aber auch eine vor hintergründigem Witz sprühende Story um den Ex-Gendarm Tarpon. [...] Tarpon ist genretypisch zynisch und illusionslos, die Sprache ist kurz und knapp. Umso witziger wirken seine Missgeschicke und die schrägen Typen, die ‹Volles Leichenhaus› bevölkern. Ein Highlight für jeden Krimi-Liebhaber [...]»
Literatur-Tipps
«Wir treffen den Helden am Tag der persönlichen Katastrophe: Der Kühlschrank ist leer, die Flasche mit dem ekligen Himbeergeist auch. Kein Kunde stapft die vier Stockwerke des verlotterten Pariser Mietshauses hoch, um einen Privatdetektiv zu engagieren. Da bleibt nur die Bankrotterklärung: Eugene Tarpon greift zum Telefon und kündigt seiner Mutter die Heimkehr des verlorenen Sohnes an.
Ein gruseliger Mord bringt die Rettung. In den nächsten vier Tagen überstürzen sich die Ereignisse um den geschassten Polizisten Tarpon. Unaufhaltsam verstrickt er sich in eine völlig undurchsichtige Geschichte. Die trostlose Welt der Gescheiterten und der ewigen Träumer der französischen Metropole entfaltet sich: Porno-Starlets hoffen auf die große Karriere. Halbirre Araber wollen Palästina befreien. Ein jüdischer Journalist schaltet sich ein, dessen Rolle auch unklar ist. Und dann meldet sich noch ein brutaler Mafia-Boss aus Amerika, der vor Sentimentalität ununterbrochen weint.
In Jean-Patrick Manchettes bereits 1973 erschienen Krimi «Volles Leichenhaus» geht es um moralische und rassische Reinheit, um Messer und Schießeisen und nicht zuletzt - ums Essen. Immer wenn der ausgehungerte Ermittler Tarpon fast dazu kommt, wird er entführt oder in eine Schlägerei verwickelt. Hungrig durchlebt er seine eigene Art Fegefeuer, denn er ist belastet von einer schrecklichen Schuld.
Er ist nicht der moralisch saubere Held auf der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit wie viele nordamerikanische oder englische Kolleginnen und Kollegen. Er sitzt genauso im Dreck wie die Täter, denen er auf der Spur ist.
Tarpon ist ein illusionsloser Verlierer, kein zweifelnder Idealist wie die Kommissare der skandinavischen Literatur, deren innere Einsamkeit im Kontrast zur gesellschaftlichen Anerkennung steht.
Die Toten, die im Laufe der rasanten Geschichte das Pariser Leichenhaus füllen, sind literarische Pappkameraden ohne Identität. Nur dazu geschaffen, den Reinigungs- und Läuterungsprozess der Hauptfigur zu ermöglichen. Das einzige wirkliche Opfer ist der unschuldige Nachbar des Detektivs: Ein warmherziger Schneider, für den der einsame Wolf Tarpon Sympathie und Liebe empfindet. Zwar siegt auch in diesem Krimi die Gerechtigkeit, aber um den Preis weiterer Einsamkeit und Schuld.
Es ist eine gnadenlos kalte Welt, die der 1995 im Alter von nur 52 Jahren verstorbenen Schriftsteller und Drehbuchautor Jean-Patrick Manchette entwirft. Nur die feine Selbstironie des ständig über das Leben stolpernden Tarpon rettet ihn vorm Zynismus.
Es ist das Verdienst des kleinen Distel-Literatur-Verlages, in seiner «Serie Noire» diese Schätze der französischen Kriminalliteratur zu heben und gegen die angelsächsische und skandinavische Dominanz des Genres in Erinnerungen bringen.Krimifans werden an dieser brillant geschriebenen Geschichte ihre Freude haben: Eugene Tarpon ist eine wunderbar durchschnittliche Figur, die am Schluss sogar Geld hat für ein anständiges Mittagessen.»
DEUTSCHE WELLE
«J.-P. Manchette ist ein hervorragender Schriftsteller. Mit ätzender Feder. Mit ungewöhnlichem Humor, wunderbar schwarz; der mit erstaunlichem Schwung, makabre, gewalttätige, verrückte Geschichten erzählen kann, mit sicherem Gespür fürs Ambiente wie für die Spannung.»
POLICE HEBDO
«Beim Lesen von ‹Morgue pleine› (‹Volles Leichenhaus›) stellt man fest, daß J.-P. Manchette die unantastbaren Regeln des Genres erschüttert. Ein wahrer Krimi-Schmaus, voll Intelligenz und Schwung.»
ELLE
«Eine Hommage an Chandler und Hammett. Manchette macht den Weg frei für ein Geschöpf paradoxer Art, den linken Privatdetektiv [...]»
NOUVEL OBSÉRVATEUR
«Cool bis ans Herz ist das, kultig und verdienstvoll. Denn Manchettes post-roman-noir Werk bedarf dringend einer Wiederentdeckung.»
DIE WELT
«Jean-Patrick Manchette ist der große Desillusionist unter den französischen Erzählern. Unter seinem Blick bröckeln alle großen und kleinen Erzählungen der Gesellschaft, und es bleiben trostlose Momente, unerklärliche Situationen, dramatische Reaktionen, bizarre Lichtblicke. [...] Manchette ist ein kinematografischer Schreiber [...]»
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
«Jean-Patrick Manchette war der große stilistische Erneuerer des französischen Kriminalromans, [...] die französische Antwort auf die amerikanische Hard-boiled-Schule [...]»
TAZ – DIE TAGESZEITUNG
«Der Franzose Jean-Patrick Manchette, dessen hier zu Lande schmählich vernachlässigte Klassiker nun vom DistelLiteraturVerlag wieder zugänglich gemacht werden, hat mit dem Buch «Volles Leichenhaus» nicht einfach eine Hommage an die Amis geschrieben, ruppig, lakonisch und sarkastisch. Er hat wie in all seinen Romanen auch eine direkte Reaktion auf die Träume von Achtundsechzig geliefert [...]»
STUTTGARTER ZEITUNG
«[...] Klassiker mit langem Haltbarkeitsdatum. [...] Die Neuübersetzung bringt Manchettes Erzählton, seine kleinen Anspielungen und Bosheiten der Zeit sehr schön frisch und lebendig rüber.»
DIE WOCHE
«Jean-Patrick Manchette ist ein ausgezeichneter Krimi voll mit schwarzem Humor und Ironie gelungen. Er zeichnet das Leben und die Abenteuer des verhinderten <James Bond> in so wundervoller Weise, dass der Leser dieses Buch nur schwerlich aus der Hand legen mag. Natürlich fließt, wie von einem hard-boiled Krimi zu erwarten ist, viel Blut. Jedoch gibt es keine Seite, die dem Leser das Schmunzeln vergehen lässt. Unbedingt empfehlenswert.»
Krimi-Forum.de
«[...] Geschickt balanciert Manchette zwischen überzogener Hommage an die Noir-Vorbilder und rasanter Groteske, und am Ende handelt es sich bei Eugène Tarpon doch um eine eigenständige französische Version eines Hardboiled-PI. Mit der Demontage der ich-erzählenden Heldenfigur löst sich Manchette von den Vorgaben und schlägt noch den letzten Stützpfosten aus der ohnehin düsteren Noir-Welt.»
Crime-Corner.de
«Manchette erzählt seine Geschichte sehr filmisch, mit knappen Beschreibungen, knappen Dialogen und mit einem trockenen Wortwitz. [...] Manchettes Stil ist lakonisch, trocken und trotzdem packend. ‹Volles Leichenhaus› wird in einem Sog erzählt, der den Leser mitreißt und ihn nicht ruhen lässt, bis die 200 Seiten verschlungen sind. Eugène Tarpon macht süchtig [...] nach mehr Geschichten um Eugène Tarpon.»
Tom's Krimitreff