Programm Sachbuch

Der Gürtel

Abodehman, Ahmed

 

PROLOG

 

Ich heiße Ahmed ben Saad ben Mohammed ben Mouid ben Zafir ben Sultan ben Oad ben Mohammed ben Massaed ben Matar ben Chain ben Khalaf ben Yaala ben Homaid ben Chaghb ben Bichr ben Harb ben Djanb ben Saad ben Kahtan ben Amir. Eigentlich hätte ich bei Kahtan einhalten müssen, wie es alle Kahtani tun, die von sich behaupten, dem edelsten Stamm Arabiens anzugehören und somit auch wahrscheinlich dem, der den Ursprung alles Arabischen bildet. Da aber einige Kahtani oft Amir als Urahnen, gewissermaßen als Adam des Stammes, hinzufügen, habe ich es auch so gemacht, da ich doch lieber von Adam abstamme denn von Kahtan!

Ich gehöre zu den wenigen Saudis, die heutzutage ihre Ahnenfolge noch auswendig aufsagen können; ich habe sie nämlich anläßlich meiner Beschneidung gelernt. Wie Germaine Tillon in ihrem Buch Le Harem et les Cousins erklärt, kannte Arabien die Beschneidung bereits tausend Jahre vor dem Propheten. Also hat mich mein Stamm beschnitten, wie man es schon vor zweitausendfünfhundert Jahren getan hat. Mit anderen Worten, meine Kindheit und meine Jugend gehören einer gewissen Urgeschichte an. Ich bin gewissermaßen ein historisches Denkmal. Kürzlich habe ich einen Fußpfleger aufgesucht. Es war das erste Mal in meinem Leben – und zweifelsohne auch für ihn ein einzigartiges Erlebnis, denn er hat Stunden damit verbracht, die Hornhaut an meinen Fußsohlen zu beseitigen, und dabei sogar Dornenstückchen vorgefunden, die wie Fossilien im Kalkstein dort eingelagert waren.

Doch ich bin hier, mitten unter Ihnen in Paris, im Morgengrauen des Jahres 2000! Welch ein Abenteuer für mich, der ich nicht einmal mein Geburtsdatum kenne! Zweifellos sehen Sie mich gar nicht, denn ich bemühe mich tunlichst, so wie Sie zu sein, grau und indifferent, obwohl ich mein Dorf ständig in mir trage wie ein unauslöschliches Feuer. In Paris habe ich zu Anfang jedem guten Tag gesagt, selbst in der Métro, und als ich dann erkannte, daß mir niemand antwortete, habe ich es trotzdem weitergemacht, aber so leise, daß man es nicht mehr hören konnte. Ich wollte alles teilen, wie etwa in diesem Zug, der mich eines Tages nach Besançon bringen sollte. Ich hatte versehentlich ein Sandwich mit Schinken gekauft, weil ich es für eine Art Kuchen gehalten hatte. So bot ich meinem Abteilnachbarn an, diesen «Kuchen» mit ihm zu teilen. Er hat mich gefragt, ob ich Muslim sei, ich habe ja gesagt. Dann hat er mir erklärt, daß es Brot und Schweinefleisch sei, und dabei selbst weiter gegessen, ohne mir auch nur eine einzige seiner Datteln anzubieten, die ich so gern probiert hätte!

Am Ende meiner Studienzeit in Riad konnte ich meine universitäre Laufbahn in den Vereinigten Staaten, in Großbritannien, in Deutschland, Spanien oder auch Frankreich fortsetzen. Und da habe ich dann das Land von Éluard, von Aragon und Prévert gewählt. Dies erklärt wahrscheinlich auch, weshalb ich mein Dorf auf Französisch beschrieben habe und somit der erste Schriftsteller der gesamten Arabischen Halbinsel bin, der in dieser Sprache schreibt, was, dessen bin ich sicher, manche Franzosen hinreißen und manchen Arabern mißfallen wird!

Schreiben bedeutet für mich, die Welt zugleich zu teilen und neu zu erfinden. Erst in Paris konnte ich mein Heimatland und mein Dorf richtig sehen, denn dort unten war ich nur ein Dichter. Paris erlaubte mir, ein vollwertiger Mensch zu sein, was ja der eigentliche Sinn von Modernität ist, wogegen mein Stamm mich auch heute noch als kleine Zelle in seinem großen Körper betrachtet, eine schwarze Zelle in den Augen gewisser Angehöriger meines Stammes, weil ich eine Fremde, nämlich eine Französin geheiratet habe. Ich verstehe sie und schreibe dies, um ihnen zu sagen, daß auch andere mich verstehen, uns verstehen, und zwar weitaus besser als wir uns selbst.

 

DIE FRAU SEINER FRAU

 

«O mein Gott! Verhülle auf ewig meine Geheimnisse und die meiner Familie!» So ging das Gebet, das sämtliche Dorfbewohner morgens und abends sprachen, mit Ausnahme des weisen Hizam, der selbst das größte Geheimnis und einzig wahre Mysterium unseres Dorfes war. Er hob den Kopf gen Himmel wie alle anderen auch, blieb jedoch stumm – wir wußten ja, daß er den Mund ständig voller Rosinen und Datteln hatte.

Eines Tages dann, er hatte mich gerade dasselbe Gebet sprechen hören, warf er mir eine Handvoll Sand ins Gesicht. Ich habe nicht aufgemuckt; im Dorf war allgemein bekannt, daß Hizam stets im Recht war. «Du sollst nicht wie die anderen beten. Die sind doch nur auf der Durchreise, die leben einfach in den Tag hinein, ohne je Anteil an unserem Dorf zu nehmen oder es wirklich zu kennen. Dieses Gebet ist so etwas wie ein Bund, mit dem wir uns verpflichten, den kommenden Tag voll auszuleben, um eine ewige Spur auf Erden zu hinterlassen, und sei es auch nur durch die Umarmung eines Baumes. So haben unsere Vorfahren das Dorf erbaut. Jeder Stein, jedes Blatt, jeder Brunnen, jedes Gedicht, jeder Schritt birgt den Odem und die Liebe, die Hoffnung und den Schmerz, die Enttäuschungen und Siege dieser Menschen, die jeden Morgen das Dorf gepriesen haben, als hätte es nur einen einzigen Tag zu leben. Diese Zeit ist nun leider vergangen, und ich bin der letzte Hüter der Seele des Dorfes. Doch schon bald werde auch ich sterben, und dann wirst du an meine Stelle treten müssen.» Hizam ließ mir keine Wahl. Um mich auf die Probe zu stellen, hieß er mich, den Himmel zu berühren, mit meinen Augen den Sturm zu entfachen, zu einem Stein zu werden. Er fragte mich, was ich bei meiner Geburt gesehen, gefühlt, erfahren und ob ich bereits von diesem Augenblick an gewußt hätte, daß ich ein Knabe und kein Mädchen war? Ich streifte flüchtig den Himmel, spürte den Sturm in meinem Kopf, wurde zu einem Felsen, und zum erstenmal wollte ich eine Wolke sein. Angesichts meiner Verwirrung bat Hizam mich um mein Messer.

«Ich werde es dir zum gegebenen Zeitpunkt zeigen.»

«Das hier ist der richtige Zeitpunkt! Ich will dir nämlich sagen, ob du ein Mädchen oder ein Knabe bist.»

«Indem du dir mein Messer anschaust?»

«Was ist ein Mann sonst, wenn nicht ein Messer? Seine Worte, Blicke, Handlungen und selbst sein Schlaf ähneln seinem Messer. Das Messer des Mannes ist sein Gewissen. Zum Beweis: Frauen haben sich nie etwas vorzuwerfen.»

Hizam versuchte sich nun die Beine mit meinem Messer zu rasieren, doch vergebens. Darauf schleuderte er es gegen einen Fels, aber die Klinge zerbrach. Ich fühlte mich gedemütigt, am Boden zerstört. Hizam war enttäuscht, das wußte ich. Und dennoch kam er zu mir und tröstete mich.

«Gott hat das Männliche nach dem Bilde des Messers geschaffen, das fähig ist, alles zu schneiden, zu jeder Zeit. Das Messer macht den Mann, nicht der Bart, und nicht das Geschlecht.»

«Ich werde das Messer sein, das dir vorschwebt, Hizam.»

 

Hizam kannte mich gut. Er wußte, daß ich die Seele der Leute ergründen konnte, indem ich sie nur anschaute; ich sah alles, und gleichzeitig konnte ich weder meine Geheimnisse noch die der anderen für mich behalten. Was immer ich machte, sie sollten sie früher oder später erfahren. Meine Nächsten, meine Freunde und sogar irgendwelche Zufallsbekanntschaften, denen ich sie erzählte, vertrauten mir dann ebenfalls die intimsten Dinge ihres Lebens an. Kam es daher, daß ich selbst keinerlei Geheimnisse vor ihnen hatte? Hizam, der mich häufig «das Ärgernis» nannte, vertraute mir an, er esse weitaus mehr Rosinen und Datteln, seit ich zu sprechen begonnen hätte. Doch auch wenn ich all meine Geheimnisse verriet und bisweilen sogar welche erfand, so gab es doch eins, ohne das ich unmöglich hätte leben können und das ich allein der Fotografie meines Vaters anvertraut habe.

 

In einem Wachtraum lasen die Dorfbewohner eines Morgens an der Tür unseres Hauses all ihre vertraulichen Bekenntnisse, die ich gewissenhaft bis in die kleinsten Einzelheiten niedergeschrieben und am Vorabend dort angeschlagen hatte. Sie umarmten sich unter Tränen. Am selben Abend hatte uns der Dorfvorsteher eingeladen, alle waren wir da, Männer, Frauen, Kinder, zum erstenmal vereint. Er sang, tanzte und lächelte breit. Er führte sich ganz so auf, als sei er gar nicht mehr unser Oberhaupt; zudem trat er auf der Stelle von all seinen Ämter zurück, seiner Ansicht nach brauchte ein Dorf ohne Geheimnisse nämlich kein Oberhaupt mehr. Am nächsten Tag lächelten die Dorfbewohner sich in einem fort an. In einer Weise, wie man es noch nie erlebt hatte. Das Leben im Dorf war ein einziges Gedicht geworden, die Einwohner sprachen in Versen miteinander, sangen ohne Unterlaß, schmiedeten ständig Reime, selbst mitten in der Nacht; in allen Häusern brannten Lampen, bisweilen bis zum Morgengrauen. In meinem Traum war ich nicht mehr der Dorfpoet, nicht mehr der einzige, und das ganze Dorf hatte keinerlei Geheimnisse mehr!

 

Wir waren zu viert im Haus: meine Mutter, die ich vergötterte, meine-Schwester-mein-Gedächtnis, mein Vater, den ich liebte, und ich, der Poet. Meine Mutter hat mir die Dichtkunst beigebracht, und mein Vater meiner Schwester die Musik: die ideale Familie!

Städte mochte ich nicht. Mein Vater sagte mir, die seien nur von Geschäftsleuten und Politikern und für diese selbst erbaut worden, und um wahrhaftig in eine Stadt einzudringen, müsse man herausfinden, was in den Handtaschen der Frauen stecke. Mein Vater sagte auch, es sei besser, eine Frau zu sehen, statt sie anzuschauen. Die einzige, die ich je gesehen hatte, war meine Mutter. Ich kann nicht sagen, daß ich sie liebte, ich vergötterte sie. Als ich sie das erste Mal angelogen habe, sagte sie zu mir, sie habe überall Augen, Ohren, Nasen und Hände, ja sie sei sogar in mir selbst. Ich habe sie nie wieder angelogen! Irgendwann war ich furchtbar wütend auf sie und habe sie, ihr den Rücken zukehrend, im Geiste beschimpft. Darauf hat sie mich angefahren und gemeint, ich hätte gerade ihren Vater beleidigt... und es stimmte! Sie erriet meine geheimsten Gedanken. «Allein die Mütter sind imstande, sämtliche Türen zu öffnen», erklärte mein Vater. Ich nährte meine Seele an ihrem Geruch, an ihren Blicken, an ihrer Schönheit. Alle im Dorf kannten den Duft meiner Mutter, wie man auch das Brot kannte, das sie backte.

Sauberkeit war bei uns zu Hause von größter Wichtigkeit. Ihr galt die ständige Sorge meiner Mutter, und dennoch hat sie meinen Vater nie dazu bringen können, sich beim Essen nicht zu bekleckern. Jede Mahlzeit war für meine Schwester und mich ein wahres Schauspiel. Unser Vater war hierbei unser Verbündeter, während meine Mutter für uns alle drei zur Mutter wurde. Einmal beleidigte eine Frau aus dem Dorf meinen Vater mit den Worten: «Du bist doch nur die Frau deiner Frau!» Zutiefst verletzt und gedemütigt fragte ich meinen Vater daraufhin, ob er denn einen Pimmel habe. Er, der mich nie angelogen hat, antwortete, ohne mich anzuschauen, mit Nein, und ich habe die nächsten Tage damit verbracht, mich zu fragen, ob ich nun einen Vater oder zwei Mütter hätte.

Folgende Geschichte spukte mir dabei im Kopf: Eines Tages war in das Dorf meiner Mutter ein Mann gekommen, dessen Frau gerade gestorben war, und er hatte seine kleine, gerade erst ein paar Tage alte Tochter bei sich. Das Dorf bot ihm ein Dach und Nahrung an: Die Frauen waren bereit, den Säugling zu stillen. Doch der Mann hatte seiner Frau, als er ihr die Augen schloß, geschworen, niemand anderes als er selbst werde ihr Kind behüten, und er wolle auch in Zukunft unter keinem Dach mehr wohnen, da mit ihr auch sein Heim dahingehe. Der Mann lebte gewissermaßen in der Moschee und wich nie von seiner Tochter, die er sich ständig an die Brust drückte... Zu Anfang weinte das Mädchen jede Nacht; dann versiegten die Tränen, und man bemerkte sogar, daß der Säugling aufblühte. Das Dorf erkannte nun, daß es dem Vater gelungen war, seine Tochter an der eigenen Brust zu nähren. Seither weiß man: Liebe und Not vermögen einen Mann in eine Mutter zu verwandeln.


 

 

Die Frau, die meinen Vater beleidigt hatte, wurde nicht müde zu behaupten, man wisse ja nie mit Sicherheit, wer einen gezeugt habe. Jeden Abend kam mein Vater müde nach Hause, dann bat er meine Schwester und mich, ihm die Füße, die Beine, den Rücken zu massieren, und ich hatte Angst, die Wahrheit zu entdecken, wie immer sie auch aussehen mochte. An einem Freitag schließlich, wir verließen gerade die Moschee, rief der Dorfvorsteher alle Männer unter dem großen Baum des Marktplatzes zusammen, um ihnen zu verkünden, daß einer von ihnen sein Geschlecht verloren habe. Jeder befühlte eilends seinen Unterleib. Da aber offensichtlich niemand irgend etwas verloren hatte, zerstreute sich die Menge sogleich. Nur mein Vater und ich sind dem Dorfvorsteher gefolgt, wodurch er natürlich wußte, wem der verlorene Pimmel gehören mußte. Er lud uns zum Mittagessen in sein Heim, und dabei haben wir uns dann über alles und nichts unterhalten. Als wir endlich aufbrechen wollten, zog er aus seiner Tasche einen großen Schlüssel hervor, ich erkannte ihn auf Anhieb, und reichte ihn meinem Vater, der ihn unmittelbar vor dem Leib an seinem Ledergürtel festmachte. Nach altem Brauch verfügt jeder Mann in unserem Dorf über eine verriegelte Kammer, von der niemand anderes den Schlüssel besitzt, und in der er für Gäste und Besucher vorbehaltene Lebensmittel aufbewahrt; auf diese Weise kann man ihn nie in Not und Mangel bloßstellen, vor allem wenn seine Frau kein Mehl und Korn, keine Butter, keinen Kaffee, Zucker, Honig noch Kardamom mehr im Haus hat. Ein Mann, der den Schlüssel dieser Kammer seiner Frau überläßt, wird zur Frau seiner Frau.


 

 

Mein Vater meinte, jeder Regen habe seine Pflanzen, und im Frühjahr sei man wohl besser ein Baum als ein Mensch. Er stellte sich beinahe völlig nackt in den Frühlingsregen und ermutigte mich, es genauso zu machen. Eine Tages, wir bewässerten gerade ein Feld, hat mein Vater die Arbeiten wegen des Aufrufs zum Gebet unterbrochen. Seine Stimme war einfach erhebend, vor allem wenn er sich an Gott wandte: Die Pflanzen, Bäume, Steine und Berge lauschten meinem Vater. Ich beeilte mich wie gewöhnlich, damit wir zusammen beten konnten, denn das gemeinsame Gebet hat weit größeren Wert. Doch an diesem Tag erklärte mir mein Vater, er wolle lieber allein bleiben. Ich hielt es zunächst für eine Bestrafung. Er hat sich dann hinter einer Mauer verschanzt, und ich habe erkannt, daß er die Hälfte seines alten thob verloren hatte, den die Jahre zerschlissen und der Ledergürtel aufgescheuert hatten. Dies war das erste Mal, daß ich den Unterleib meines Vaters sah, und endlich war ich beruhigt! Und ich begann an seiner Seite so inbrünstig zu beten wie nie zuvor.

Die Männer versammelten sich jeden Tag zwischen Sonnenuntergang und Abendgebet auf dem Dorfplatz. Hier tauschten sie sich auch über die Neuigkeiten aus den Nachbardörfern sowie über die Streitsachen und Rechtsakten aus, die sich bei dem Richter anhäuften, den die Regierung soeben in den Bezirk abgeordnet hatte. Eines Abends, als sie gerade auf den Gebetsruf warteten, ging eine Frau quer durch die Versammlung – was mich zutiefst entrüstete, denn ein solches Verhalten war bei uns im Dorf doch vollkommen unüblich. Nachdem sie verschwunden war, breitete sich eine bleierne Stille unter den Männern aus, dann eilten sie in die Moschee. Ich wartete, bis sie wieder herauskamen, um meinen Vater nach einer Erklärung für diesen Verstoß zu fragen. Er aber zog es vor zu schweigen. Bei unserer Heimkehr jedoch bekam er es sogleich mit meiner Mutter zu tun: «Ja, werdet ihr jetzt endlich eure bösen Zungen hüten! Aber dafür hat sie euch das Blut ihres Schoßes zeigen müssen!» Mein Vater erwiderte nichts und schlug nur die Augen nieder. Da sie merkte, daß ich überhaupt nichts verstand, rief meine Schwester mich auf die Dachterrasse, um mir die Geschichte zu erklären. Jene Frau war eine Witwe, die man verdächtigte, schwanger zu sein. Um dem Gerede Einhalt zu gebieten, hatte sie den Zeitpunkt gewählt, zu dem sämtliche «Ungeheuer» (so nannten die Frauen die Männer bei solchen Gelegenheiten) versammelt waren, und war mit einer breiten, blutgetränkten Stoffbinde um den Leib zwischen ihnen hindurchgeschritten. Die Männer hatten begriffen, daß dies Blut von ihrem Monatsfluß stammte. Meine Schwester und ich sind wieder zurück in den Wohnraum gegangen. Meine Mutter hatte ihre Standpauke bereits beendet und hielt meinem Vater, und durch ihn sämtlichen «Ungeheuern» des Dorfes, zum Abschluß vor: «Jetzt ist diese Frau zum Mann geworden, da könnt ihr sicher sein.» Nach Ansicht jeder verheirateten Frau mußte eine Witwe sich in der Tat zum Manne wandeln, um sich selbst wie auch die von ihrem verstorbenen Ehemann geerbten Güter verteidigen zu können.

 

 



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