Programm Sachbuch
Jean-Patrick Manchette ist vor allem bekannt als Schriftsteller, Drehbuch-Autor und Übersetzer. Daneben bildete auch das Schreiben von Essays zum Roman noir und über die «Meister» des Genres einen Schwerpunkt im Schaffen von Jean-Patrick Manchette. In den Jahren 1976 bis 1995 schrieb er dazu regelmäßig Beiträge in renommierten Fachpublikationen.
Durch die Texte ziehen sich wie ein roter Faden Geschichte, Theorie und Kritik des Roman noir «als Zeitzeuge seiner Zeit». Die oft schneidenden, humorvollen und scharfsinnigen Texte lassen die Passion des Essayisten und die Genauigkeit des Analytikers erkennen.
« Seine Essays sind engagiert, flott geschrieben, manchmal zynisch, manchmal hymnisch. Jeder Zeile ist seine Liebe zum Polar anzumerken und seine Kommentare zeugen von einem tiefen Verständnis und einer großen Meisterschaft. Aber auch von dem Leiden, das andere Autoren ihr Handwerk so schlecht beherrschen. Er ist nicht dogmatisch, kann auch zugeben, sich in der Beurteilung eines Autors (wie z.B. Ross MacDonald) geirrt zu haben und das macht ihn glaubwürdig.
Zugegeben, 32€ sind ein stolzer Preis, trotzdem sind die <Chroniques> jeden Cent wert – nicht nur für Liebhaber des Roman noir!!!» Claus Kerkhoff
Print - Version
(Ihre Bestellung wird ausgeführt durch die Germinal Medienhandlung GmbH.)
Chroniques
Auszüge aus einem Gespräch mit Jean-Patrick Manchette, erschienen in der Zeitschrift Polar
POLAR: Was hat Sie dazu veranlaßt, Kriminalromane zu schreiben?
Ein Zufall. Der Zufall muß, nebenbei bemerkt, für vieles herhalten. Ich war ganz plötzlich gezwungen, meinen Lebensunterhalt und den meiner «kleinen Familie» zu verdienen. Ganz plötzlich, denn eigentlich war ich damals drauf und dran, Englischlehrer zu werden. Übrigens, glaube ich nicht, daß ich das ausgehalten hätte. Schon das Studium habe ich nur schwer ertragen. Als ich dann nach den Sommerferien eine Stelle antreten soll, heirate ich eine wunderbare Frau und stehe mit einer Ausbildungsbeihilfe von 800 Franc und einem Appartement für 600 Franc im Monat da, was ich aber vergnügt hinnehme. Wir werden schon klarkommen, sage ich mir. Melissa, meine Frau, hatte sich auf die IDHEC, die staatliche Filmhochschule, vorbereitet, durch sie kannten wir eine Menge Leute, von denen die meisten übrigens nicht gerade den Durchbruch beim Film geschafft hatten; doch Jean-Pierre Bastid beispielsweise war ein sehr guter Freund, auch wenn wir uns jetzt ein wenig aus den Augen verloren haben.
POLAR: Jean-Pierre Bastid, der dann Massacre pour une orgie gedreht hat?
Dieser Film ist nur teilweise von ihm. Eine Produktionsfirma hatte die vierzig Minuten eines unvollendeten Films in der Art «Gefährtinnen der Nacht» oder «Die Tragödie der Prostitution» aufgekauft und sich daran gemacht, ihn fertigzustellen. Bastid hat beim Dreh ständig nur improvisiert, ein völlig verrücktes Unternehmen, total wahnsinnig und urkomisch. Manchmal ist er genervt, wenn man ihn daran erinnert, daß Massacre teilweise von ihm stammt – allerdings zu Unrecht, es war der reinste Wahnsinn, aber äußerst amüsant. Jedes Mal, wenn irgendein Freund bei den Dreharbeiten vorbeischaute, hat er sofort eine kleine Rolle bekommen. Zu guter Letzt muß es ein Film mit hundert Darstellern gewesen sein.
POLAR: Haben Sie auch mitgemacht?
Ich gehörte zum Umfeld des Ganzen. Ich habe eine Sequenz geschrieben, die aber nicht gedreht wurde. Alle Welt hat eine kleine Sequenz geliefert. Zu dem Zeitpunkt habe ich mich entschieden, fürs Kino zu schreiben; ich sagte mir: «Beim Film wird man reich!» Ich habe alle möglichen Gelegenheitsjobs in diesem Bereich gemacht, fürs Schulfernsehen, für die Arbeitsunfallverhütung; ich habe auch bei Pornofilmen mitgearbeitet. Zwei Drehbücher für Max Pecas: Une femme aux abois und La Peur et L’Amour; aber im Gegensatz zu anderslautenden Behauptungen habe ich niemals mit José Bénazéraf gearbeitet. Auf seriöserer Ebene habe ich auch fürs Fernsehen an der damals sehr bekannten Familienserie Les Globe-trotters mitgewirkt. Außerdem hatte ich entdeckt, daß ich einigermaßen aus dem Englischen übersetzen konnte, und es ist mir gelungen, etliche Übersetzungen zu machen, um zu überleben. Ich hielt mich unter ziemlich schlechten Bedingungen über Wasser. Daher haben Bastid und ich uns gesagt: Wir kennen uns mit polars gut aus, warum sollen wir keine Bücher für die Série noire schreiben? Wir würden sie ans Kino verkaufen und alle möglichen Dinge zustande bringen. Wir haben angefangen zusammenzuarbeiten, indem wir unsere Entwürfe austauschten. Bei Laissez bronzer les cadavres ging es gut, aber bei L’Affaire N’Gustro ging es nicht gut; der Plot war in gewisser Weise Bastids Thema, und ich habe ihn mir beim Schreiben vollständig angeeignet. Ich habe mir gesagt: «Da ist mein Herzblut drin, das ist mein Ding.» Und ich habe zu Jean-Pierre gesagt: «Ich behalte es». Das hat ihn ganz schön irritiert, weil bei dieser Sache, die ihm am Herzen lag, nun schon zum zweitenmal etwas daneben ging. Ursprünglich sollte er den Film drehen, der schließlich L’Attentat geworden ist. Auf der Grundlage seiner Idee, sich an der Affäre Ben Barka zu orientieren, hat er mit Ben Barzman zusammengearbeitet, dann hat Barzman allein weitergemacht, und letztlich wurde der Film von Yves Boisset gedreht. Bastid hatte das Gefühl, ausgebootet worden zu sein, und sich deshalb entschieden, schnell einen 16-mm-Film nach seinen Vorstellungen zu machen, um alle auszustechen. Ich hatte ihm ein Exposé geschrieben, das Gerüst. Von diesem Exposé ausgehend, schrieb ich L’affaire N’Gustro und sagte ihm: «Nein, hierbei arbeiten wir nun doch nicht zusammen, weil da mein Herzblut drin ist.» Ich bleibe dabei, daß das mein Ding ist, aber andererseits ist es verständlich, daß ihn das zur Verzweiflung bringen mußte. Deshalb und wegen anderer harmloserer Sachen hat sich unser Verhältnis schließlich abgekühlt. Aber vorbei ist vorbei, das ist Vergangenheit ...
Warum gerade Polars, und nicht etwas anderes? Ich hatte keine besonderen Vorkenntnisse vom Polar, aber der Zufall wollte es, daß ich mütterlicherseits eine wirklich erstaunliche Großmutter hatte. Sie war Schottin und Suffragette, jemand, der sich auf Eisenbahnschienen legte und so weiter, und sie gehörte zur ersten Generation von Mädchen, die an britischen Universitäten zugelassen wurde. Als ich acht oder neun Jahre alt war, war sie ungefähr siebzig, hatte noch immer rabenschwarzes Haar, war einen Meter achtzig groß und trug rote Kleider, was in dem kleinen Dorf in der Normandie, in dem sie wohnte, für Aufruhr sorgte; und sie las die Série noire. Durch sie bin ich auf Cheyney und Hadley Chase gestoßen, und ich erinnere mich, daß ich damals sehr beeindruckt war von Elliott Chaze’ Il gèle en enfer: die nackte Frau, die sich nach einem Banküberfall in den Geldscheinen wälzt – so was ist für einen Jungen in der Vorpubertät sehr prägend, es ist meine «Ur-Szene» als Polar-Besessener.
Danach las ich keine Krimis mehr. Als Jugendlicher habe ich vor allem Science-fiction gelesen. Und als ich dann meiner Liebste kennengelernt habe, stellte ich fest, daß sie sich gut mit Polars auskannte, und ich erzählte ihr von dieser Story, an die ich mich erinnerte, und fragte sie: «Hast du eine Ahnung, was das sein könnte?» Und sie antwortete: «Ja, sicher, das ist Il gèle en enfer, den Roman habe ich...»
Kurz davor hatte ich mich mit Carter Brown beschäftigt, der so zwischen 1962 und 64 bei den Studenten groß in Mode war. Dann habe ich, dank Melissa, die ganze Série noire gelesen, vor allem die Klassiker: Chandler, Hammett, Charles Williams, John D. MacDonald, Jim Thompson, alle eben. Der einzige Große, der mir später, um 1969 herum, noch fehlte, war Richard Stark/Donald Westlake, den ich erst danach entdeckt habe. Wie alle Liebhaber habe ich mich daran gemacht, seltene Perlen zu suchen: Man wählt die Bücher nach dem Übersetzer aus, oder man sucht systematisch nach den Autoren, die nur ein oder zwei Bücher geschrieben haben und findet so den klasse Roman À nos amours von P.J. Wolfson oder die beiden Paul Cain, À tombeau ouvert und Sept tueurs, oder Je suis un sournois von Peter Duncan, der an einen optimistischen Jim Thompson erinnert, und Stephen Geller, Edmund Naughton, Peter Loughran, Le Grossium von Stanley Crawford etc. etc.
Da ich vom amerikanischen Polar vollkommen eingenommen war, hingegen überhaupt nicht von den französischen Autoren, schien es mir ganz natürlich, ja selbstverständlich, dem Weg der «kritischen Realisten» zu folgen. Für mich war der Polar immer – und ist es noch – der Roman der sehr harten gesellschaftlichen Einmischung. Also bin ich in diese Richtung aufgebrochen, in die mich auch meine Erfahrung als Ultralinker drängte. Zu Beginn der 60er Jahre (ich war achtzehn Jahre alt) gehörte ich zur aktiven Linken. 1960 war Algerien Anlaß meiner politischen Aktivität. Da sich das Ganze in der Provinz abspielte, nämlich in Rouen, verlief es eher gemütlich und entspannt (ich habe sogar erlebt, wie die Bereitschaftspolizei buchstäblich mit dem Signalhorn zum Angriff geblasen hat), da gab es so was wie «autonome Gruppen», wie die Anarchos sagen würden: auf der einen Seite des Raums die Amateur-Jazzband, auf der anderen die Hektographiermaschine, auf dem das lokale Blatt der Nationalen Befreiungsfront Algeriens (FLN) abgezogen wurde, eigenartige Leute kamen vorbei... Nach 1962 habe ich mich dann ernsthaft in Organisationen engagiert: Ich war gleichzeitig Mitglied bei den Vereinigten Sozialisten (PSU), in der kommunistischen Studentengruppe und in einer illegalen Splittergruppe, die «La Voix communiste» – Die kommunistische Stimme – hieß, in der es Leute gab, die vor allem von den Trotzkisten und aus der Kommunistischen Partei (PC) kamen; Leute, die mit der PC wegen einer Reihe unterschiedlicher Fragen gebrochen hatten: Jugoslawien, Togliattismus, Ungarn, Algerien – am Ende gab es sogar die ersten Maoisten. Einig waren sich alle nur in bezug auf Algerien. Zwei Jahre nach dem Ende des Algerienkriegs haben sich alle ihre Schreibmaschinen an den Kopf geworfen. Da war ich schon nicht mehr dabei. Ich hatte in den Jahren 1962 bis 64 an den Studentendemonstrationen teilgenommen, bin dann nach England gegangen, wo ich gleichzeitig meine Liebste und die Série noire kennengelernt habe. Bei meiner Rückkehr waren die Organisationen zusammengebrochen, die Mitglieder verstreut; und übrigens auch umgekehrt; dann ist mir die Zeitschrift der Situationisten in die Hände gefallen; und ich hatte bereits begonnen, ein wenig nachzudenken, die Klassiker und die marxistischen Außenseiter nochmals zu lesen, wie auch den modernistischen Marcuse, und da sagte ich mir: Ich habe völligen Mist gebaut, ich habe den Cowboy gespielt, ich habe den Bolschewiken gespielt, was heißt denn aktiv sein? Und so weiter und so fort.
Was mich aber nicht davon abgehalten hat, mich weiter für die soziale Bewegung zu interessieren. Im Gegenteil. Ich lese weiterhin die Theoretiker und nehme die Zeitungen immer noch genau unter die Lupe. Diese Dinge fließen natürlich auch in meine Polars ein.
POLAR: In Ihren Büchern hat man den Eindruck, daß Sie kaum einen Ihrer Protagonisten favorisieren, daß es sich ganz selten um positive Figuren handelt, deren politisches Engagement zudem ins Nichts führt...
Ich vertiefe mich nicht in die psychologischen Geheimnisse meiner Figuren. Mir scheint es in der Natur des Roman noir zu liegen, daß er schwarz ist, daß er keine positiven Figuren kennt oder fast keine, bis auf den «Privat»detektiv. Was mir am meisten gefällt, sind Polars, in denen die Figuren in die Falle tappen, unter Druck geraten, ausflippen und ein schlimmes Ende nehmen.
Seit Jahren muß ich mich von meinem Sohn beschimpfen lassen, weil ich seiner Meinung nach ein positives Buch schreiben soll, eines, das gut ausgeht; bis heute habe ich das nicht geschafft.
POLAR: Dennoch hat man den Eindruck, als gäbe es bei der Figur Eugène Tarpon, dem ehemaligen Gendarmen, der Privatdetektiv geworden ist, eine Entwicklung zwischen Morgue pleine und Que d’os. Er scheint gelernt zu haben, wieder aufzuleben. Sollte Tarpon sich von Ihnen verselbständigen?
Das Problem Tarpon ist etwas Besonderes. Zunächst einmal ist er ein «Privatdetektiv», also das Positivste, das es überhaupt geben kann. Und mir war danach, und ist es immer noch, mit ihm eine Reihe zu machen, also kann ich ihn nicht umbringen. Und dies bedeutet, daß er kein Desperado sein kann, wie es meine sonstigen Figuren sind; in gewisser Weise ist er schwerfälliger, er spielt nicht mit so hohem Einsatz und hat eine saumäßige Schreibe. Die Bücher, in denen er vorkommt, sind mit absichtlicher Schwerfälligkeit geschrieben, was der Handschrift der Figur entspricht. Er ist absolut kein Intellektueller, wie die meisten anderen meiner Helden; er ist ein Bauerntrampel. Ein Bauerntrampel, der Interesse zeigt, der sich entwickelt. Inzwischen habe ich Probleme mit ihm, denn ich denke, daß er jemand ist, der es nicht mehr ertragen wird, auch als Privatdetektiv wie ein Flic zu funktionieren. Er ist nun nicht mehr fähig, jemanden zu schnappen, der sich in einem Lagerhaus bedient. Der nächste Tarpon, falls es einen gibt, was ich jedoch hoffe, kann nicht mehr Apothekenhelfer verfolgen, die verdächtigt werden, in die Kasse zu langen, oder Jagd auf Diebe machen. Er dreht sich nicht im Kreis, er befindet sich auf einem eigenen Weg, vielleicht wird er am Ende sogar ein befriedigendes Liebesleben finden und die Welt verstehen, in der er lebt.
POLAR: Wie sind die Abenteuer von Tarpon entstanden?
Morgue pleine war sehr schnell geschrieben, eigentlich wollte ich etwas ganz anderes schreiben und habe mich dann verheddert. Ich mußte unbedingt ein Buch fertigkriegen, um meine Steuern bezahlen zu können. Ich habe mich mit einer sehr vagen Grundidee auf dieses Buch gestürzt, es gab so gut wie kein Konzept. Schließlich habe ich mich aus der Affäre gezogen, indem ich mir sagte, wenn es schlecht geschrieben ist, wird das dem mangelnden Ausdrucksvermögen dieses Bauerntrampels angelastet. Den Journalisten, die Figur des Jean-Baptiste Haymann, habe ich eingeführt, um nicht alles aus Tarpons Sicht erzählen zu müssen. Aber Sie sehen, welches Problem durch die Eile entstand: Ich habe ihn Jean-Baptiste (Johannes-der-Täufer) genannt, irgendwann wird es also erforderlich sein, im Nachhinein zu erklären, daß er ein Sohn konvertierter Juden ist, um seinen äußerst christlichen Namen zu rechtfertigen; eine eindeutige Ungereimtheit, die aufs Drauflosschreiben ohne Konzept zurückgeht.
POLAR: L’Homme au boulet rouge ist ein Western – eine Koketterie des Cineasten?
Das ist ganz einfach die auftragsgemäße Überarbeitung eines Drehbuchs. Barth Jules Sussman war ein junger amerikanischer Filmemacher, der sein auf Englisch verfaßtes Drehbuch zum Verlag der Série noire gebracht hat, weil er wissen wollte, ob man daraus einen Roman machen könne. Soulat hat sich daran erinnert, daß ich Adaptionen machte, wenn ich Geld brauchte. Ich hab mir gesagt, warum nicht? Die Dialoge und der Plot sind streng am Drehbuch orientiert, und der Text ist systematisch durch völlig unpassende marxistische Abschweifungen in die Länge gezogen. Hätte ich mich aber frei gefühlt und den Text von Sussmann nicht respektiert, dann hätte ich die Baumwollplantage angezündet und den Besitzer nicht davonkommen und auch noch ein Vermögen machen lassen.
POLAR: Es war zu lesen, Fatale sei ursprünglich die Story für einen Comic-Band gewesen?
Nein, ganz und gar nicht. Eine Fassung als Comic strip war zwar erwogen worden, aber zunächst war es ein Filmstoff. Ich hatte Claude Chabrol von meiner Idee erzählt, und er hat mir gesagt: «Wunderbar, das machen wir, leg los». Ich habe also das Drehbuch geschrieben, und dann habe ich gedacht, das könnte ein Buch abgeben. Ich hab den Schmöker geschrieben, und die Produzenten wollten von der Story nichts wissen. Dionnet vom Comic-Blatt «Métal hurlant» hat mich mit dem Zeichner Tardi bekanntgemacht, und wir haben uns an eine Comic-Bearbeitung gesetzt, es dann aber sein lassen und statt dessen «Griffu» gemacht...
POLAR: Um zur Literatur zurückzukommen: Glauben Sie nicht, daß Sie den Grand Prix de Littérature policière deshalb nicht für Nada, sondern für Ô dingos, ô château! bekommen haben, weil die Welt des Polars sich weigerte, ein eindeutig politisches Werk auszuzeichnen?
Ich weiß nicht. Jedenfalls gab es den Preis 1973 für ein Buch, das 1972 erschienen ist...
POLAR: Was denken Sie über die neuen französischen Autoren des Polars, und zwar unter dem Aspekt, daß man diese sehr oft an Ihren Büchern mißt?
Viele der Neuerscheinungen werden von manchen (und von mir zuerst) als Neo-Polars bezeichnet und gelegentlich wegen ihres Inhalts mit meinen Schmökern verglichen, weil darin Pfaffen, Bourgeois und Bullen getötet werden, und weil die Bösen darin Baulöwen, Industrielle usw. sind. Schön, es handelt sich um «linke» Bücher mit einer unmißverständlichen Botschaft; aber ein Buch ist nicht deshalb gut, weil es eine linke Botschaft hat. Offenbar gibt es da eine Mode, also einen Markt: Jedes beliebige harte Buch, das als links gilt und mehr oder weniger gut auf Französisch geschrieben ist, findet einen Verleger, und ich habe den Eindruck, daß da enorm viel Mist entsteht – geschrieben von Leuten, die, politisch gesehen, bestimmt sehr sympathisch sind –, aber ich glaube, daß da oft nur leeres Stroh gedroschen wird, wie meine Großmutter immer sagte...
Ich glaube nicht, daß es schon reicht, wenn die Leute aus der rechten Ecke die «Bösen» und die aus der linken die «Guten» sind, damit daraus ein gutes Buch entsteht. Das ist klar. Außerdem glaube ich, daß die Leserschaft für linke Neo-Polars letztlich sehr begrenzt ist. Dagegen gibt es ein Phänomen, das mir äußerst interessant erscheint, obwohl es mich selbst nicht begeistert, nämlich die stilistische Kontamination des Polars durch die «gehobene» Literatur, das gegenseitige Durchdringen der Gattungen. So macht etwa Vautrin einen auf Queneau und nebenbei auf Céline; Prudon hat ebenfalls einen sehr gepflegten Schreibstil. Ist zwar nicht mein Ding, aber interessant ist es doch...
Man mag Nada als Maßstab nehmen, aber ganz abgesehen davon, daß dies etwas willkürlich ist, gab es da auch noch ADG, der in diese neue Richtung gegangen ist, auch wenn er eher ein Erbe Simonins ist; oder auch Raf Vallet, Bastid und andere, und vor allen Dingen Siniac, der zwar keineswegs ein alter Mann, aber doch eine Art großer Vorfahr des «literarischen» Polars ist.
POLAR: Wie stehen Sie zum Polar als eigenständiges Genre und seinem Verhältnis zum sogenannten «neuen» Polar?
Über diese Frage habe ich bereits gründlich nachgedacht: «Was ist der Polar? Was heißt es, einen Polar zu schreiben?» – Ich bin ein unverbesserlicher Intellektueller, wofür ich mich übrigens nicht schäme. Ich mache es wie die großen Amerikaner, aber es wie die großen Amerikaner zu machen, heißt, etwas anderes als sie zu machen; das ist das Problem in «Pierre Ménard, Autor des Quichotte»! Was tut man, wenn man ein Ding mit zeitlicher Distanz nochmal macht, und dieses Ding nicht mehr Thema der Epoche ist? Es gab eine Epoche des amerikanischen Polars. Anfang der 70er zu schreiben, bedeutete, einer neuen sozialen Realität Rechnung tragen zu müssen, aber auch der Tatsache, daß die Form des Polars überholt, weil seine Zeit vorbei ist: Eine überholte Form wiederzuverwenden heißt, ihr Bezugssystem zu verwenden, das bedeutet, sie zu ehren, indem man sie der Kritik unterzieht, sie übertreibt, sie bis zum äußersten verdreht. Ja, selbst sie zu respektieren, heißt noch, sie zu verdrehen. Das versuche ich in meinem nächsten kleinen unbedeutendem Werk: sie über die Maßen zu würdigen, die Form des Polars 200-prozentig zu respektieren. Verglichen mit dieser Frage, die streng genommen die Ästhetik berührt, ist die Frage nach linken Inhalten, die wirre Kritiker zur wesentlichen machen wollen, einfach idiotisch.
POLAR: Ein Fazit?
Wir alle, die einen wie die anderen, betreiben unser Handwerk weiter, obwohl wir vom Markt, von der Kritik und von zweitausend Jahren Kultur, die sich in unseren Köpfen aufgetürmt haben, traktiert werden. Wir sterben daran, oder wir bleiben blöd. Man kann auch verrückt werden, was moderner ist. Meine Prognose fällt äußerst ungünstig aus.
Diese Äußerungen wurden bei ZWEI Flaschen Scotch von François Guérif und Jean-Pierre Deloux festgehalten, dann von Manchette durchgesehen und korrigiert, bis kein Stein mehr auf dem anderen blieb.
Juni 1980
Chroniques
Wahrheiten, die nicht untergehen – Die «Chroniques» von Manchette sind endlich da
Jetzt sind sie da, die «Chroniques». Zwischen 1976 und 1994, dem letzten Jahr vor seinem frühen Tod im Alter von 52 Jahren, verfasste Jean-Patrick Manchette etliche hundert Bemerkungen, Kritiken, Glossen zum Film und zum Polar, wie der Kriminalroman auf Französisch genannt wird. Vieles in diesem Buch, das wohl nur die hartgesottenen Krimileser ansprechen wird, ist Zeitgeschichte, zeitgebunden im mehrfachen Sinn. Keiner wusste das besser als Manchette selbst: «Wenn der Roman noir etwas mit der Wahrheit zu tun hat (und
wenn nicht, taugt er nichts) geht er unter wie sie.» Perlen wie diese findet man zu Hauf, Manchette war nicht nur als Autor, sondern auch als Kämpfer ein großer. Lest ihn, gönnt euch jeden Abend einen «Handkantenschlag» – das bedeutet «Manchette» nämlich auch.
Tobias Gohlis /ARTE, Krimiwelt
In Frankreich wurde und wird der Mann als Mensch gewordener Krimigott verehrt, in anderen Ländern blieb der vor elf Jahren verstorbene Jean-Patrick Manchette immer ein «writer's writer», ein Tipp, nur für Eingeweihte. Daran wird sich auch mit diesem Werk, das die zwischen 1976 und 1995 entstandenen Essays zum Roman Noir sammelt, nichts ändern. Auch wenn Manchettes Erkenntnisse meist überaus klug sind, auch wenn er formulieren kann, wie kein anderer, auch wenn seine Thesen oft eine sehr schräge, interessante Blickrichtung einnehmen und er auf wunderbare Art politische und kulturelle Zusammenhänge erklärt, Manchette passt so gar nicht mehr in unsere Zeit. Heutzutage dominieren banale Moralisten oder schlecht gelaunte Lesben die Krimiszene, da hat ein Mann wie Manchette, ein Mann, der von der undogmatischen Linken kommt und den Kommunismus mit all seinen Sauereien aus tiefsten Herzen hasst, nichts zu suchen. Liest man diese Texte – aber auch seine Romane – heute, fällt das Fehlen Manchettes noch viel stärker auf. Denn tragischerweise hat er auch in Frankreich keine Nachfolger. Jean-Christoph Grangé hätte einer werden können, aber der hat leider mehr als nur zwei Schrauben locker. Manchette war einfach der ideale Schriftsteller und Kritiker: klug, faktenreich, humorvoll.
Lutz Göllner, ZITTY
»Chroniques
Manchette, Jean-Patrick
Rezension von Claus Kerkhoff
Jean-Patrick Manchette ist vor allem bekannt als Schriftsteller, Drehbuch-Autor und Übersetzer. Er war der große Erneuerer des französischen Kriminalromans und die Leitfigur für eine neue Generation französischer Kriminalautoren. Seine im DistelLiteraturVerlag erschienenen Kriminalromane sind Leckerbissen für Fans des Hard-boiled-Romans. Aber Manchette war darüber hinaus auch ein begeisterter Leser von Kriminalromanen und ein engagierter Kritiker. Davon kann man sich in dem wunderschönen Band «Chroniques. Essays zum Roman Noir» (DistelLiteraturVerlag, ISBN 3923208782) überzeugen, der die Krönung der Manchette-Werkausgabe im DistelLiteraturVerlag darstellt.
«Wie alle Liebhaber habe ich mich daran gemacht, seltene Perlen zu suchen: Man wählt die Bücher nach dem Übersetzer aus, oder man sucht systematisch nach den Autoren, die nur ein oder zwei Bücher geschrieben haben und findet so den klasse Roman ‹À nos amours (OT: Bodies are Dust, dt. Geißel der Niedertracht)› von P.J. Wolfson oder die beiden Paul Cain, ‹À tombeau ouvert (OT: Fast One, dt. Null auf hundert)› und ‹Sept tueurs (OT: Seven Slayers, dt. Totschlag)›, oder «Je suis un sournois (OT: Sweet Cheat)» von Peter Duncan, der an einen optimistischen Jim Thompson erinnert, und Stephen Geller, Edmund Naughton, Peter Loughran, ‹Le Grossium (OT: Gascoyne)› von Stanley Crawford etc. etc.»
Von 1976 bis kurz vor seinem Tode 1995 schrieb Manchette regelmäßig Beiträge in renommierten Fachpublikationen. Hunderte von Autoren und Büchern zählt Manchette in den «Chroniques» auf. Seine Rezensionen sind scharfsinnig und oft schneidend. Manchmal zerreißt er Autoren mit bösen, bissigen Kommentaren:
«Demjenigen, der ganz einfach kalibrierten Ramsch fabriziert (ich denke an [James) Hadley Chase, der so produktiv und geschickt in aller Ruhe seine Masche abspult und ununterbrochen und in Massen fünf oder sechs immer gleichbleibende Modelle reproduziert], fehlt etwas, ebenso demjenigen, der seinen eigen Text als einfache Lesemaschine betrachtet. Ich pfeif auf deine Maschinen! Entweder der Text ist berauschend, oder er ist nichts. Da hast du’s, ätsch, ätsch.»
«Ehrlich gesagt, sind selbst die vulgären Geschäftsleute wie James Hadley Chase oder Mickey Spillane im Grunde etwas ganz anderes als Huren (...). Mögen die Schriftsteller auch böse, rassistisch, sexistisch oder sadistisch sein, das hindert sie nicht daran, Schriftsteller zu sein. (...) Man ist deshalb aber nicht gezwungen, sie zu bewundern oder sie zu lesen.»
Er lobt aber auch überschwänglich und verschont trotzdem keinen in seinen Augen lesenswerten oder gar hervorragenden Romane mit punktueller Kritik, denn «es gibt stets etwas zu verbessern, nichts ist perfekt.» Aber seine Texte sind auch stets humorvoll und voller Selbstironie:
«Das sind zwei Bücher (von Pierre Siniac: ‹La Câline inspirée›, 1981 und ‹Monsieur Cauchemar›, 1960), die ganz einfach Lust machen, ihren Autoren auf Händen zu tragen und anschließend mit ihm anzustoßen.»
Manchette war ein dezidierter Gegner der politischen Rechten. Und doch gar nicht so überraschend, wird der rechtsintellektuelle Autor A.D.G. (Pseudonym von Alain Fournier) mit einem (allerdings eingeschränkten) Lob überschüttet:
«Hier haben wir einen äußerst kohärenten, runden exzellenten Roman (‹Pour venger Pépère›, 1971). … Als nationalistischer und reaktionärer Autor bewahrt und belebt ADG inmitten eines oft von der Linken vereinnahmten ‹Néo-Polars› die Tradition von Albert Simonins und San Antonios wieder. … Außerdem wird die Aversion, die ich gegen ADGs Ansichten hege, und darauf kann ich mich verlassen!, mich immer daran hindern, seine Romane voll und ganz genießen zu können. Aber hier ist ein Autor, der sich stark entwickelt, seine Sache immer besser meistert.»
Denn für Manchette zählte nicht die politische Richtung eines Romans, sondern seine Maxime war die Qualität des Handwerks. Deshalb überschüttete er Romane von linken Autoren, denen seine Romane scheinbar Vorbild waren, mit ätzender Kritik:
«Viele der Neuerscheinungen werden von manchen (und von mir zuerst) als Néo-Polars bezeichnet und gelegentlich wegen ihres Inhalts mit meinen Schmökern verglichen, weil darin Pfaffen, Bourgeois und Bullen getötet werden, und weil die Bösen darin Baulöwen, Industrielle usw. sind. Schön, es handelt sich um ‹linke› Bücher mit einer unmissverständlichen Botschaft; aber ein Buch ist nicht deshalb gut, weil es eine linke Botschaft hat.»
Manchette warnte auch (1994) vor der Unsitte der «political correctness». Für ihn war dieses eine neue Art von Zensur, eine selbsterzeugte Zensur. Zwar seien davon nicht Romane «unmittelbar bedroht, aber sie werden mittelbar von allem bedroht, was die Sprache herabwürdigt. Zwischen dieser Art von Säuberung und der Umweltverschmutzung durch die Medien sieht man den Moment kommen, in dem die Romane so geschrieben werden, wie im Fernsehen gesprochen wird. Man sieht diesen Moment in einer sehr nahen Zukunft. Sagen wir um 1980.»
Diese Prophezeiung ist eine für Manchette typische Ironie. Für ihn war das Jahr 1980 ein besonderes Jahr. Von 1971 bis dahin hatte er jährlich einen Roman, also neun seiner insgesamt zehn Kriminalromane, veröffentlicht («La position du tireur couché» erschien zwar erst 1982 in Buchform, war aber bereits als Feuilleton ab 1980 in der Zeitschrift Hara-Kiri erschienen). Doch 1980 begann das große Schweigen des Manchette. Er stellte die Produktion weiterer Kriminalromane ein. Manchette selbst sagte über die 80er Jahre, er habe den Eindruck, mit «La position du tireur couché» an einem Punkt in Schreiben und Geschichte angekommen zu sein, an dem sich seine literarische Ausdrucksform, der «néo-polar», ebenso wie die Sicht- und Lebensweise der Menschen so verändert hätten, dass ein Fortsetzen der Polar-Produktion nur Wiederholungen und Imitationen bereits existierender Werke hervorbringen könne.
Aber Manchette war ein manischer Arbeiter und stürzte sich deshalb in Übersetzungen verschiedenster amerikanischer Autoren, wie Donald E. Westlake und Ross Thomas sowie in Buchbesprechungen. Insbesondere Westlake hatte es Manchette angetan. Westlake war für ihn ein Meister des Roman noir, «zweifellos der größte seiner Zeit.» Es waren auch die Romane Westlakes, die Manchette zu seinem ersten Kriminalroman: «Laissez broncher les cadvres!» (zusammen mit Jean-Pierre Bastid) inspirierten und der im Januar 1971 in der renommierten Série Noire bei Gallimard erschien. (Die Neuübersetzung dieses Romans ist für 2006 geplant, womit die Werkausgabe der Kriminalromane Manchettes komplett wäre.)
«Alles, was Westlake unter verschiedenen Identitäten geschrieben hat, ist gut, und fast alles ist besser als gut. Wenn ihr nicht alles habt, geht zu eurem Buchhändler, befragt seine Kataloge, bestellt, lest. Das wär’s.»
In seinen Rezensionen reihte Manchette nicht einfach die verschiedenen Romane aneinander, sondern er nutzt diese Besprechungen, um an seiner Theorie des Roman Noir weiter zu arbeiten.
«Da ich vom amerikanischen Polar vollkommen eingenommen war, hingegen überhaupt nicht von den französischen Autoren, schien es mir ganz natürlich, ja selbstverständlich, dem Weg der ‹kritischen Realisten› zu folgen. Für mich war der Polar immer – und ist es noch – der Roman der sehr harten gesellschaftlichen Einmischung.»
«Es gab eine Epoche des amerikanischen Polars. Anfang der 70er zu schreiben, bedeutete, einer neuen sozialen Realität Rechnung tragen zu müssen, aber auch der Tatsache, daß die Form des Polars überholt, weil seine Zeit vorbei ist: Eine überholte Form wiederzuverwenden heißt, ihr Bezugssystem zu verwenden, das bedeutet, sie zu ehren, indem man sie der Kritik unterzieht, sie übertreibt, sie bis zum äußersten verdreht. Ja, selbst sie zu respektieren, heißt noch, sie zu verdrehen. Das versuche ich in meinem nächsten kleinen unbedeutendem Werk: sie über die Maßen zu würdigen, die Form des Polars 200-prozentig zu respektieren.»
Manchette erneuerte in seinen Romanen und seinen Essays den Polar als sozialkritische Literatur oder als «Roman der sehr harten gesellschaftlichen Einmischung». Darin kommen seine politischen Überzeugungen, aber auch seine von Skepsis geprägte Philosophie zum Ausdruck. Er beklagte die Chancenlosigkeit des Individuums in einer kapitalistischen Gesellschaft und die Vergeblichkeit des Aufbegehrens. Deshalb sind seine Figuren auch durchweg Anti-Helden. In «Die Affäre N’Gustro» ist es ein aus einer bürgerlichen Arztfamilie stammender junger Mann namens Henri Butron, der aus Langeweile und Opposition sich der politischen Rechten anschließt; in «Tödliche Luftschlösser» der Magengeschwür-geplagte Profikiller Thompson, der glaubt einen einfachen Mordauftrag erhalten zu haben; in «Volles Leichenhaus» und «Knüppeldick» der Ex-Gendarm Eugène Tarpon, der bei einer Arbeiterdemonstration einen Menschen tötet, den Dienst quittiert und sich jetzt als Privatdetektiv mit kleinen Aufträgen mehr schlecht als recht über Wasser hält; und in «Westküstenblues» der leitende Angestellte Georges Gerfault, den plötzlich zwei Killer jagen. Manchettes Figuren ist gemeinsam das Fehlen von Idealen und damit von Identität sowie das Durchleiden einer existentiellen Krise. Ihre Bemühungen sind ausnahmslos zum Scheitern verurteilt.
In Manchettes Romanen ist die Welt voller Verzweifelung darüber, dass die Hoffnung auf eine bessere Welt eine hoffungslose Sache geworden ist. Deshalb gibt es keine Erlösung, sondern nur Gewalt und Tod. Seine Romane sind die Antwort auf die klassischen Detektivgeschichten, in denen mittels Aufklärung des Verbrechens und Bestrafung des Täters die Welt wieder in Ordnung gebracht wird. Manchette entlarvt dieses Nachher als Scheinordnung. Für ihn ist die Welt ein Rattennest und als Ganzes nicht zu retten. Diese Motive sowie sein erzählerischer Reduktionismus, die knappen Dialoge, die kurzen Sätze und der hintergründige Humor schufen – an die Tradition von Chandler und Hammett anknüpfend – eine moderne, auf Europa zugeschnittene Form des amerikanischen Hard-boiled-Krimis. So wurde Manchette zu einer Leitfigur für eine neue Generation französischer Kriminalautoren.
Untrennbar mit seinen Romanen, Drehbüchern und Übersetzungen sind seine Arbeiten als Rezensent verknüpft. Seine Essays sind engagiert, flott geschrieben, manchmal zynisch, manchmal hymnisch. Jeder Zeile ist seine Liebe zum Polar anzumerken und seine Kommentare zeugen von einem tiefen Verständnis und einer großen Meisterschaft. Aber auch von dem Leiden, das andere Autoren ihr Handwerk so schlecht beherrschen. Er ist nicht dogmatisch, kann auch zugeben, sich in der Beurteilung eines Autors (wie z.B. Ross MacDonald) geirrt zu haben und das macht ihn glaubwürdig.
Zugegeben, 32€ sind ein stolzer Preis, trotzdem sind die «Chroniques» jeden Cent wert – nicht nur für Liebhaber des Roman noir!!!