Programm Kriminalromane

Nächste Ausfahrt Mord

Thibert, Colin

 

Vierhundertfünfzig PS. Vierradantrieb. V8-Turbo-Motor.
270 auf dem Tacho. Ein unbändiges Tier von mehr als zwei Tonnen, das in 5,6 Sekunden auf hundert Stundenkilometer beschleunigt. Ein Monstrum! Ein Porsche namens Cayenne! Wie das ehemalige Straflager. Heute erkenne ich in diesem Namen ein unheilvolles Omen. Es ist nicht schwierig, im Nachhinein Prophet zu sein. Aber an dem Tag, an dem ich dieses Wunderwerk gekauft habe, hab ich mich gefreut wie ein kleines Kind, trotz der hübschen Anzahlung und der folgenden 36-Monate-Ratenzahlung.
Diesen Wagen habe ich mir verdient. Er war der Lohn für sechs Jahre unermüdlicher Anstrengungen. Das Symbol meines beruflichen und sozialen Erfolgs. Ein fantastisches Spielzeug, das ich lange im Schaufenster des Vertragshändlers und auf den Seiten der Fachzeitschriften begehrt hatte.
Endlich gehörte er mir!

 

*

 

Ich arbeite in der Doppelverglasung. In der Modernisierung von Fenstern, um genau zu sein. PVC-Fensterrahmen nach Ihren Maßen. Edelstahlverstärkung, wärme- und schallisolierende Verglasungen in Spitzenqualität! Mit allen nur erdenklichen Zertifikaten. Wir garantieren den Einbau in die alten Fenstereinfassungen an nur einem Tag. Seit kurzem mache ich auch Rollläden, Garagentüren und Schwimmbad-Umzaunungen. Sorgfältig unter unserer Regie eingebaut. Nach europäischen Normen. Man muss täglich ein Stück vom Marktkuchen ergattern...
Das ist ein einträgliches Geschäft, aber der Markt ist ziemlich überlaufen. Man muss kämpfen, die Ellenbogen einsetzen, alles geben, und man darf nie den Mut verlieren. Nie!
18-Stunden-Tage, an denen ich mich herumgeschlagen habe. Um Absagen zu bekommen. Und noch mal Absagen!Und zudem nicht immer freundliche.
Im Sommer wie im Winter auf der Straße, um Kilometer und fettes Essen zu fressen, um sich Erkältungen und Hämorrhoiden zu holen. Und glauben Sie mir, das nicht am Steuer eines Porsche Cayenne...
Mein Bereich waren die Kuhbauern. Die, die dich von weitem und aus den Augenwinkeln kommen sehen, die Füße in der Jauche und die Gitane im Mund. Schlaumeier, harte Nüsse, mit allen Wassern Gewaschene. Perverse, wenn ich so sagen darf! Ich packte meine Muster und Kataloge auf dem Wachstuch in der Küche aus, ich verzapfte meinen Schmus. Sie ließen mich kommen, wie man einen Fisch kommen lässt, freundlich, ohne sich zu rühren. Sie hörten mir mit Interesse zu, wenn ich meinen Plunder anpries; sie befanden kennerisch über die Darbietung. Auf dem Land ist jede Abwechslung willkommen. Wenn ich erschöpft und am Ende meiner Argumente war, fiel die Antwort wie der Kuhfladen aus dem Arsch der Kuh: «Das ist ja alles schön und gut, Ihre schönen Fenster und alles, aber unsereins hat kein Geld!»
Kein Geld, was du nicht sagst! Ich konnte die wollenen Sparstrümpfe in den Schränken, die Schatzbriefe in der Kommodenschublade, die Goldbarren unterm Bett und das Sparbuch der «Caisse d'Épargne», das seit drei Generationen anwuchs, förmlich riechen. Ganz zu schweigen vom Grundstücks- und Immobilienpreis, der unaufhörlich steigt. Kein Geld? Arschlöcher!



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