Programm Sachbuch

Die Affäre N'Gustro

Manchette, Jean-Patrick

Ich habe Sachen hinzugedichtet. Badewanne, Trichter, Flaschen in den Arsch, Elektroden an den Genitalien, und um das ganze abzurunden, immer die durchschnittene Kehle. Mit der Zeit hat sich das herumgesprochen.
Damals war das Gymnasium ziemlich politisiert. Auf der einen Seite gab es die Kommunisten, die nichts machten, die aber trotzdem am gefährlichsten waren, und die JSU, die sich um einen jüdischen Journalisten, einen Freund von Mendès France, zusammengeschlossen hatten; auf der anderen Seite waren die Nationalisten – genauso blöd, wenn nicht noch blöder.
Ich kann getrost sagen, daß ich von Subalternen kontaktiert wurde und daß sie ohne mich nichts getan hätten.
Nicht, daß sie mit mir großartige Dinge unternommen hätten. Am Anfang waren es nur so Sachen nach dem Saufen, wenn wir im Rudel nach Hause gingen, da schrieben wir mit Kreide auf die Wände. Später nahmen wir Farbsprühdosen. Wir schmierten Keltenkreuze und DIE OAS WACHT; solche Sachen eben.
Nach der Schule prügelten wir uns gelegentlich mit den Linksradikalen. Das war nie sonderlich ernst. Ich konnte da kaum mitmachen, aus Angst, mein Augenleiden zu verschlimmern. Aber ich hatte ein gewisses Organisationstalent. Ich sage dies um so gelassener, als ich heute glaube, daß organisieren nichts bringt. Jeder für sich und Gott für niemand.
Wie dem auch sei, ich habe versucht, ein bißchen Ordnung zu schaffen.
Ich erinnere mich an zwei, nein, drei Überfälle, die wir ausgeführt haben. Einmal war es in der Studentenstadt: wir wußten, daß dort ein Schlupfwinkel für Trotzkisten war, die von den Typen der JSU in ihren Zimmern untergebracht wurden.
Die Studentenstadt von Mont-Saint-Aignan liegt weit oberhalb von Rouen am rechten Ufer. Man kommt über eine Serpentinenstraße dorthin. Unsere Späher haben sich am Eingang der Gebäude auf die Lauer gelegt. Wir haben gesehen und gehört, wie sie gekommen sind. Ich stellte mit Genugtuung fest, daß sie noch besoffener waren als wir. Wir haben damals alle viel getrunken. Als sie auf unserer Höhe sind, gebe ich den Befehl zum Losschlagen. Wir greifen an.

Man sah sich kaum in der Dunkelheit. Dann etwas Unvorhergesehenes: die Linksradikalen waren mit bleigefüllten Gummischlagstöcken von Manufrance bewaffnet, während wir nur einfache Knüppel hatten.
Wir teilen ordentlich Prügel aus. Ich werde am Bein verletzt. Mehrere Feinde stoßen Schmerzensschreie aus. Ich gebe das Zeichen zum Rückzug. Wir tauchen in der Nacht unter, lautlos wie Katzen. Sie haben es so schnell nicht vergessen.
Ein anderes Mal war es ziemlich witzig, und das beweist, daß alles nicht ganz klar war; es gab Nachwahlen. Wir treffen auf Plakatkleber der JSU. Sofort gehen wir auf sie los, alle hauen kräftig drauf, als plötzlich ein Lieferwagen einer Werbefirma mit professionellen Klebern und dem potentiellen Abgeordneten der UNR daherkam. Auf der Stelle hören wir auf, uns mit den Linken zu schlagen, wir stürzen uns auf den Lieferwagen, den Klebern befehlen wir, sich rauszuhalten, alle gemeinsam verprügeln wir den UNR-Mann, stecken das Fahrzeug in Brand. Der Gaullist läuft blutüberströmt davon. Die Linksradikalen und wir hätten wohl wieder angefangen, uns miteinander zu prügeln, aber da kommen die Bullen an; alle laufen auseinander.
Bei der dritten Schlägerei habe ich dann Anne Gouin wiedergetroffen.
Damals standen vor dem Eingang der Mensa jeden Tag die Kommunisten der UEC, die die «Clarté» verkauften, und die von der JSU, die ein mit Matrize vervielfältigtes Lokalblatt mit dem Titel «Action» verkauften.
Wir beschließen, ihnen eine Lektion zu erteilen.
Diesmal gehen wir mit zwanzig Mann hin, mit passendem Gerät, ziemlich vielen Eisenstangen und Fahrradketten. Es gab eine Zeit, wo man in den Zeitungen über Fahrradketten schrieb, im Zusammenhang mit den Rockern, aber nur wenige sind sich darüber im klaren, wie lebensgefährlich diese Dinger sind.
Zunächst muß man bedenken, wie schwer die sind, vielleicht ein Kilo; dann die Art, wie man sie herrichtet: das eine Ende, das als Griff dient, wird mit Heftpflaster umwickelt, in das man einen Lederriemen einarbeitet; eine Schlinge bleibt draußen und wird über das Handgelenk gezogen, damit man die Waffe in der Hitze des Gefechts nicht verliert. Also hat man eine doppelte Kette mit sieben- oder achthundert Gramm, die am Handgelenk hängt; und am besten ist es, wenn man von unten zuschlägt, anstatt die Kette hoch zu heben, um nach unten zu schlagen – denn damit rechnet der Angegriffene. Wenn man von unten zuschlägt, erwischt man den Typ im allgemeinen unter dem Kinn, und bricht ihm die Futterluke oder schlägt sie ihm zumindest auf. Wenn der Gustav noch mehr will, hat man immer noch Zeit, wo man den Arm schon oben hat, ihm jetzt das Ding auf die Schädeldecke zu schlagen, wie ein vergnügter Holzfäller, der man ja ist. Man kann den Gebrauch der Fahrradkette gar nicht genug empfehlen, das hat nur Vorzüge, ist nur rein Naturbelassenes.
Schon gut. Genug gealbert. So ausgerüstet, gehen wir also zum Ausgang der Mensa.
Es sind Mädchen, die die «Clarté» verkaufen. Sie sind mordshäßlich, schon klar, aber man kann doch trotzdem keine Frauen angreifen. Glücklicherweise sehen sie uns kommen, und eine von ihnen schreit «Schutz», und vier oder fünf Typen von der pickeligen Sorte kreuzen auf und lassen ihre kümmerlichen Bizepse spielen; dann ist da noch der Verkäufer der «Action», der ganz jung ist.
Wir stürmen los.
Ich sehe, wie einer der Kommunarden eine Eisenstange quer über die Schnauze bekommt. Blut schießt aus seinem Mund. Jemand brüllt auf. Eine Menge Leute stürzt aus der Mensa, um nachzusehen, was los ist, und da gleichzeitig die von draußen nach innen zurückweichen, gibt es einen Stau in dem winzigen Eingangsbereich, und irgendeine doofe Schnepfe stößt einen Schrei aus, als ob sie am Ersticken wäre, während sich aus der Kaschemme ein Heidenlärm erhob.
Eine der Schnallen von der «Clarté» fängt mit hysterischer Stimme an zu skandieren: «Die Faschisten kommen nicht durch». Da sieht man, wie dämlich die Massen sind. In der Eingangshalle fangen alle an zu schieben und zu singen. Wir schlagen auf die erste Reihe drauf. Ein echtes Zuckerlecken. Ich habe über die Köpfe die beschissene Fotze ausfindig gemacht, die das Protestgeschrei angefangen hat, vergesse meinen Vorsatz, keine Frauen zu schlagen, und erwische sie mit meiner Kette auf dem Dutt.
Ich höre das Geräusch des Schlages, und sofort sind die Stirn und der Nacken dieser dummen Ziege mit Blut überströmt, sie kippt mit einem Schluchzer um und besudelt den Typen im weißen Regenmantel hinter ihr. Es ist verrückt, wie aus der Kopfhaut Blut spritzen kann.
Die Angegriffenen sind empört. «Schweinehunde! Dreckskerle!» brüllen sie. Ich bekomme einen Schlag in die Leber. Jemand versucht, mir die Kette wegzunehmen. Es kommt zu einer Bewegung nach vorne, und von der Masse gestoßen, stolpern mehrere Typen über mich, und fallen mehr oder weniger kreuz und quer auf die Schnauze. Ich bin der Mittelpunkt einer Menschentraube. Ich schlage und schlage immer weiter drauf los.
Ein Typ, größer als ich, packt mich mit beiden Händen an den Haaren und schlägt meinen Kopf auf den Beton. Ich verpasse ihm eine in die Eier. Er zischt ab wie ein Irrer. Unterdessen wirft Milano, ein Jugoslawe, der bei uns mitmacht, eine Übungsgranate in die Eingangshalle der Mensa. Das macht einen Höllenlärm, und Fensterscheiben zerspringen und prasseln herunter, während gleichzeitig eine Fontäne aus Gipsteilchen hochsteigt, großes Geschrei ertönt. Ein Mann heult vor Schmerzen auf, ein abscheulicher Laut. Ich rapple mich auf und ziehe mich zurück, wobei ich meine Kette durch die Luft wirble.
Ein halbes Dutzend Bullen kommt im gestreckten Galopp die Straße herunter. Wir verziehen uns in die andere Richtung. Ich sehe, wie sich Milano von einem Rugbyspieler des Uni-Sportvereins packen und zu Boden reißen läßt. Ich gebe dem Helden noch einen kräftigen Schlag mit der Kette in die Nieren, der landet im Rinnstein, in Fötushaltung, uriniert unkontrolliert und stößt durchdringende Schreie aus. Wir verduften.
Die Bilanz der Operation ist positiv. Die linksradikalen Schriften liegen auf dem Boden verstreut. Ich bin leicht verletzt und habe meine dunkle Brille verloren. Soweit ich es über meine Schulter hinweg sehen kann, haben die Flics angefangen, auf die Linken loszugehen, die ihnen ihrerseits Stühle entgegenschleudern. Das reinste Chaos. Ich verstaue meine Kette im 4 CV von Milano und nehme eine ruhige Gangart ein und stopfe nebenbei mein Hemd wieder in meine Hose. Sie ist am Knie zerrissen, was ziemlich auffallend ist.
Aus einer kleinen Nebenstraße sehe ich plötzlich eine äußerst erregte Brünette auftauchen. Ich erkenne sie, es ist Anne Gouin.
«Dreckschwein!» zischt sie.
Ich lächle, ohne etwas zu sagen.
«Ich hoffe, ihr habt’s jetzt kapiert?» sagt sie.
Erstaunlich, wie jeder nach solchen Vorkommnissen glaubt, dem anderen eine Lektion erteilt zu haben. Ich gebe ein kurzes höhnisches Lachen von mir.
«Trinkst du ein Glas mit mir?»
«Du hast vielleicht Nerven.»
«Ja», gebe ich eiskalt zurück.
Das bringt sie aus der Fassung. Es macht mir Spaß, Miezen aus der Fassung zu bringen. Wir gehen zur Seine hinunter, um eine Bar zu finden. Ich frage sie, was sie so treibt. Sie sagt, daß sie ihr Möglichstes tut, damit es Schweinehunden wie mir durch den Zorn der Massen unmöglich gemacht werde, Schaden anzurichten. Ich erlaube mir zu Recht ein höhnisches Grinsen. Ich frage sie: Und sonst? Und das Liebesleben etc.? Sie antwortet mir, daß sie sich auf die Zulassungsprüfung für die Uni vorbereitet und danach Soziologie machen werde. Ich spucke durch meine Schneidezähne, ein Trick, den ich in Oran von einem interessanten Typen und Zuhälter im Zivilleben gelernt habe.
Wir setzen uns in eine Bar, sie trinkt ein Bier, ich einen Gin Tonic. Wir bleiben eine Weile, und ich lasse sie sticheln. Die Erfahrung hat mich gelehrt, daß Feindseligkeit ein günstiges Vorspiel für Fleischeslust ist.
Ich lasse sie allein, weil ich die anderen treffen muß, um die Bilanz der Operation zu ziehen, und ich muß mir eine andere Hose anziehen, die hier ist futsch; das ist mir wurscht, sie war abgetragen; wir verabreden uns noch für den Cine-Club, um den Film Hiroshima – mon amour anzusehen. Ich erinnere mich, daß ich bei einem solchen Titel etwas mit Sex und Gewalt erwartet habe. An diesem Abend sollte ich schön enttäuscht werden, was das betrifft, aber ich muß zugeben, daß der Film ein Kunstwerk ist.
Während ich mich zu Hause umziehe, kreuzt Goémond auf. Ich hatte den Kommissar seit damals, als ich nach Oran gegangen bin, nicht wiedergesehen. Ich tue so, als ob nichts wäre, lasse ihn herein, ihn Platz nehmen und gieße uns zwei Glas Whisky ein. Er hat sich nicht um ein Haar verändert, der Goémond. Aber jetzt sehe ich neue Dinge an ihm, ich sehe wie hinterhältig er doch ist, dieses Schwein von einem falschen Fuffziger. Ich tue so, als ob nichts wäre, setze meine dunkle Ersatzbrille auf, stoße mit ihm an und lächle geheimnisvoll.
«Ist dein Vater nicht da?»
Ich schüttle den Kopf.
«Um so besser», sagt er. «Ich bin nämlich wegen dir gekommen.»
«Nett von Ihnen», sage ich mit ironischem Unterton.
Er verstellt sich nicht. Die Flics können sich nicht verstellen. Wenn sie schon akzeptiert haben, Flic zu sein, können sie danach auch alles übrige akzeptieren. Mit Ausnahme von denen, die im Widerstand waren, die ertragen es nicht, wenn man sie als Gestapo oder SSler beschimpft, das habe ich damals gemerkt, als ich auch auf Demos der Linken ging.
«Weißt du», sagte er, «ich bin davon überzeugt, daß du dich geändert hast. Diese paar Monate in der Armee haben dir in gewisser Hinsicht gut getan.»
«Von wegen, das ging voll ins Auge», antworte ich.
Was wirklich schwarzer Humor, ziemlich schneidend, war.
«Du hast gewisse Dinge begriffen», sagt der Kommissar. «Also setz jetzt nicht aufs falsche Pferd».
«Ich verstehe nicht, was Sie meinen» erwidere ich, zünde mir eine Zigarre an, ohne ihm eine anzubieten.
«Ich sag dir, mach keine Dummheiten. Glaub bloß nicht, wir sind nicht auf dem laufenden über eure kleinen Streiche. Solange das Studentenulk bleibt, geht es. Aber paß auf, daß das nicht zu weit geht. Halt dich fern von Milano. Das ist ein Amokläufer.»
«Ich mag Amokläufer», sage ich in beißendem Ton.
«Spiel hier nicht den Idioten. Die OAS wird die Gelackmeierte sein. De Gaulle wird Frieden schließen in Algerien, und die OAS wird nichts dagegen tun können. Es ist übrigens auch keine ernst zu nehmende Bewegung; die ist voller Königstreuer.»
«Sie sind also ein republikanischer Flic», sagte ich.
«Butron», sagte er, «ich habe dich gewarnt. Was du machst, ist zwar ganz nett, aber dumm. Ihr bereitet der Anarchie den Boden. Die haben in Algier schon einen Kommissar getötet. Das ist nicht sehr schlau.»
«Haben Sie Angst, daß auch in Rouen einer getötet wird?», meine ich und lache mich auf beleidigende Art krumm und schief.
Er geht wieder, ohne sein Glas auszutrinken, und ich gehe zu meinen Kumpels, die schon eine ganze Weile auf mich warten. Sie sind ganz schön ramponiert und versifft, und das paßt eigentlich nur zu Milano, der wirklich wie ein Brutalo aussieht. Da genieße ich es doch, daß ich so schlau gewesen und nach Hause gegangen bin, um mich umzuziehen, ich sehe viel frischer aus als sie, und das gibt mir automatisch eine gewisse Überlegenheit mit meinen Tergalhosen, meinem weißen Rollkragenpullover und meiner weichen Lederjacke.
Mein Gesicht ist voller Veilchen, wie man so sagt, aber mit der dunklen Brille sieht das nicht mehr lachhaft aus.
Wir trinken ein oder zwei Stunden lang, während die Typen sich gegenseitig gratulieren und jeder aus seiner Sicht von der Prügelei erzählt. Dann geht einer nach dem anderen, und ich warte darauf, daß ich mit Milano allein bin. Er scheint das verstanden zu haben.
Weil einer der Typen Wurzeln schlägt, ein Flippersüchtiger, wechseln Milano und ich die Bar. Wir gehen zu einem frisch angekommenen Pied-noir, der eine miese Kneipe betreibt. Wir genehmigen uns ein paar Anisettes.
«Die kommen schon noch dazu», sage ich.
«Was?» sagt Milano.
«Die Kumpels», sage ich, «die kommen schon zu ernsthafteren Sachen. Aber fürs erste müssen sie sich mit so kleinen Coups wie heute aufwärmen. Später kann man sie mit richtigen Jobs beauftragen.»
«Was für richtige Jobs?» fragt er mißtrauisch.
«Komm mir nicht so», sage ich. «Ich habe meine Informationen.»
Er ist beeindruckt.
«Du hast Kontakte», sagt er.
«Geht so», sage ich. «Im Moment bin ich von meiner Basis abgeschnitten.»
«Suchst du Kontakte?»
Ich schnaufe durch die Nase und zucke mit den Schultern. Ich lasse ihn kommen.
«Ich suche die Aktion», sage ich.
«Ich kann Granaten besorgen».
«So wie heute morgen?»
«Offensivgranaten.»
«Schon besser.»
«Das Problem ist das Ziel.»
«Warum nicht hier?», sage ich und deute auf das Lokal, in dem wir uns befinden. «Dieses Schwein von Kellner ist aus Algerien weggezogen, gegen die Befehle der OAS. Wir können ihm sein Geschäft in die Luft jagen.»
Milano sieht mich an. Er begreift, daß ich es ernst meine. Ich lese Respekt in seinen Augen. Er hat blaue Augen, eine ramponierte Fresse, hellblondes lockiges Haar. Milano ist eine Abkürzung für Milanivitch oder so ähnlich, der Name eines Gewehrs. Wir sehen uns abschätzend an.
«Lassen wir den Kneipier in Ruhe», sagt er schließlich. «Wir werden lieber dafür sorgen, daß er blecht. Greifen wir den Hauptfeind an, die Marxisten-Gaullisten.»
«Okay», sage ich einfach.
«Ich kann dich mit ein paar Typen zusammenbringen», sagt er. «Wir werden eine Operation steigen lassen, mit echtem Material. Hast du abends Zeit?»
«Heute abend nicht. Keimdrüsendienst», sage ich mannhaft.
Wir lachen uns kaputt.
«Ist sowieso nicht heute abend», sagt er. «Ich werde dir Bescheid geben.»
Wir verlassen nacheinander das Bistro, mit ein paar Minuten Abstand, und gehen verschiedene Wege. Die Essenszeit ist fast vorbei. Ich kehre in einer anderen Bar ein und esse ein Sandwich mit Butter und Wurst, dann hole ich Anne Gouin ab, und wir gehen in den Cine-Club.
Am Anfang bin ich, wie gesagt, ziemlich enttäuscht von dem sehr literarischen und ästhetisierenden Film. Aber nach einer gewissen Zeit bekomme ich Zugang zu dem Kunstwerk und werde empfänglich für den Lyrismus von Alain Resnais. Gleichzeitig schiebe ich meine Hand unter Annes Rock. Sie wehrt sich kaum. Während der Rückblenden, etwa da, wo die Riva geschoren in einem Keller ist, fange ich an, ernsthaft mit meinen Fingern zu arbeiten. Das Ende gefällt mir, jeder kann seine eigenen Schlüsse ziehen. Danach begleite ich Anne nach Hause.
Ich habe so ungefähr mitbekommen, daß sie heute abend alleine zu Hause ist, weil ihr Vater schon lange nicht mehr mit ihrer Mutter zusammenlebt und ihre Mutter für ein oder zwei Tage in Paris ist. Ich mache Anne mit meinen Küssen verrückt, und mit meinen Händen, die überall auf ihrem Körper herumwandern. Sie ist nicht mehr ganz bei Verstand. Wir gehen in die Wohnung und landen in Annes Zimmer, das mit Plattencovers und Fotografien von revolutionären Führern dekoriert ist. Im Wohnzimmer finde ich Whisky, und ich gebe ihr einige Schluck zu trinken, um sie endgültig verrückt zu machen.
«Nein, bitte nicht», schluchzte sie laut. «Ich verachte dich zu sehr und würde mich auch verachten.»
Ich lache höhnisch auf, packe sie, ziehe ihren Rock hoch und ficke sie.
Es hat Höhen und Tiefen gegeben, aber in den folgenden Tagen ist das so zur Gewohnheit geworden.
Um diese Zeit macht mich Milano im Morgengrauen in einem VW-Kleinbus, der in einem Hohlweg ge-parkt ist, mit Typen von der OAS bekannt: ein Offizier und ein Bretone, beide mit Kapuzenmützen. Sie geben uns verbotene Schriften und drei Granaten. Als Operationsziel wird uns zugeteilt: ein Klima des Terrors im Département Basse-Seine zu schaffen, um so die Handlanger der gaullistischen Polizei in Schach zu halten.
In der folgenden Nacht klauen wir in der Nähe des Marktplatzes einen Renault Ondine. Ich sitze kaltblütig am Steuer, Milano auf der Rückbank, und wir haben das Verdeck zurückgeschlagen. Wir fahren mit Vollgas in die Rue Jeanne d’Arc, wo sich die Vereinigung zur Unterstützung General de Gaulles befindet, und Milano wirft die drei Granaten. Zwei von ihnen explodieren nicht, aber die dritte führt zu einer prächtigen Explosion. Das blaue Schild der Vereinigung purzelt runter. Ich rase in Richtung Bahnhof. Wir lassen den Ondine stehen und stoßen wieder zu den Kumpels in einer Bar.
Am nächsten Tag werden mehrere von uns am Ende des Biologieunterrichts zum Direktor gerufen. Ich tue so, als ob nichts wäre, verlasse das Gymnasium. Abends schlafe ich nicht bei mir zu Hause. Jemand hat uns verpfiffen, das ist sicher.



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