Programm Kriminalromane
Aimée ist eine Auftragskillerin. Sie mordet mit kalter Leidenschaft, erfüllt die Aufträge prompt und gegen Cash. Aimée klingt sich in die besseren Kreise ein, beobachtet und erkennt schnell, was sich hinter den Fassaden verbirgt und wer Dreck am Stecken hat.
Jetzt ist sie in Bléville, einer kleinen Provinzstadt scheinbarer Wohlanständigkeit, mit dem allgegenwärtigen Motto «HALTET EURE STADT SAUBER!». Als ein Säugling und eine alte Frau an einem Produkt der örtlichen Lebensmittelfabrikanten sterben, droht ein Skandal; die Honoratioren müssen handeln. Sie beauftragen Aimée, die «Sache» aus der Welt zu schaffen und Aimée beginnt ihre Aufräumaktion. Sie spielt die Kontrahenten geschickt gegeneinander aus, es kommt zum blutigen Showdown...
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Fatale
Die Jäger waren zu sechst. Es waren überwiegend Männer so um die fünfzig oder älter, sowie zwei junge mit spöttischem Gesichtsausdruck. Sie trugen karierte Hemden, Lammfellwesten, wasserdichte khakifarbene Umhänge, mehr oder weniger hohe Schaftstiefel und Schirmmützen. Einer der beiden jungen Typen war mager, und auch einer der Fünfzigjährigen, ein Apotheker mit Brille, mit weißem Haar und Bürstenschnitt, war ziemlich schlank. Die anderen Jäger waren dickbäuchig und sanguinisch, vor allem Roucart. Sie hatten doppel- und dreiläufige, mit feinem Schrot geladene Flinten, denn man jagte Federwild. Sie führten drei Hunde mit, zwei Bracken und einen Gordon Setter. Irgendwo nordöstlich mußten noch andere Jäger sein, denn einen oder anderthalb Kilometer entfernt fiel ein Schuß, dann ein zweiter.
Die Männer hatten das Ende der feuchten Heide erreicht. Sie liefen noch etwa zehn Meter an jungen, kaum mannshohen Birken vorbei, dann kam auch schon Wald mit großen, rauschenden Bäumen, vor allem Birken und Pappeln, und Unterholz. Die Gruppe ging jetzt nicht mehr so dicht. Überall waren Pfützen. Aus nordöstlicher Richtung war von fern wieder das dumpfe Ballern von vier oder fünf Gewehrschüssen zu hören. Etwas später hielt man bewußt großen Abstand voneinander. Seit drei Stunden waren sie auf der Jagd und hatten noch nichts erlegt. Sie waren frustriert und schlechtgelaunt.
Irgendwann stieg Roucart in eine schmale, feuchte Schlucht, in der viel verrottetes Laub lag. Er hatte einige Mühe beim Hinuntersteigen, weil ihn sein dicker Wanst nach vorn zog: er mußte sich ständig mit den Hacken abstemmen und den Kopf dabei nach hinten strecken. Sein Kopf hatte die Form einer Birne, lief nach oben hin spitz zu, sein kahler, roter Schädel war mit einer grünbraun gescheckten Mütze bedeckt, wie sie Spezialeinheiten tragen. Roucart hatte ein gerötetes Gesicht, strahlendblaue Augen, weiße Augenbrauen, eine kurze Stupsnase mit großen Nasenlöchern und weißen Haaren darin. Unten in der Schlucht machte er halt, um zu verschnaufen. Er stellte seine Flinte an einen Baum und lehnte sich mit dem Rücken an den Stamm. Mechanisch tastete er in seiner Brusttasche nach einer Zigarette, dann erinnerte er sich, daß er vor drei Wochen mit dem Rauchen aufgehört hatte und ließ die Hand wieder sinken. Er war enttäuscht. Plötzlich krachte weniger als hundert Meter entfernt ein Gewehrschuß, gleich danach bellte ein schlecht abgerichteter Hund kurz auf. Roucart hatte keinen Hund. Er blieb mit seinem dicken Hintern an dem Baum kleben, streckte seinen Oberkörper vor und lauschte aufmerksam, mit halboffenem Mund in die Richtung, aus der der Knall gekommen war. Doch er hörte nur das Rauschen der Blätter, und daß hinter ihm jemand in die Schlucht kam. Schwerfällig drehte er den Kopf und sah die junge Frau, die vier Schritte von ihm entfernt reglos unten am Hang stand. Sie war zierlich, trug einen langen, hellbraunen Wachstuchmantel, Pataugas-Schuhe und einen runden Regenhut auf dem langen braunen Haar. Über ihrer Schulter hing eine 16er-Flinte.
«Donnerwetter, wen haben wir denn da? Das ist doch Melanie Horst!» rief Roucart, nahm schleunigst seinen Hintern vom Baum und zog den Bauch ein. «Das ist aber eine Überraschung! Wie ist das möglich? Ich dachte, Sie hätten uns für immer verlassen, mein liebes Kind...»
Sie lächelte andeutungsweise. Sie mochte etwa dreißig oder fünfunddreißig Jahre alt sein und hatte braune Augen und feine Gesichtszüge. Durch ihr angedeutetes Lächeln waren ihre kleinen regelmäßigen Zähne ein wenig zu sehen. Roucart ging auf sie zu und nannte die junge Frau mit väterlicher Stimme sein liebes Kind, während er mit seinen großen blauen Augen unablässig an den Konturen ihres schlanken Körpers entlangfuhr. Er war äußerst verwundert, sie hier zu treffen, wo sie doch nie auf die Jagd ging und sich zudem gestern nachmittag von allen verabschiedet hatte und mit dem Taxi zum Bahnhof gefahren war.
«Ist das eine Überraschung, so eine Überraschung aber auch!» rief er aus, da nahm sie die 16er-Flinte in die Hand, richtete sie auf ihn, und noch bevor er aufgehört hatte zu lächeln, schoß sie ihm aus beiden Läufen die volle Ladung in den Bauch.
Dann lag er auf dem Rücken im verrotteten Laub am Abhang. Sein Rumpf war durchlöchert, sein khakifarbener Umhang hatte sich bei dem Sturz bis zum Kinn hochgeschoben und sein kariertes Hemd war ihm halb aus der Hose gerutscht. Roucarts kahler Kopf hing nach vorn, seitlich verdreht mit der Wange im Dreck, Augen und Mund standen offen, seine Mütze lag verkehrt herum auf dem Boden. Speichel glänzte in dem Mund des Mannes, seine Lider zuckten kurz, dann starb er. In der Ferne waren ganz schwach drei Schüsse zu hören. Die junge Frau ging weg.
Fatale
«[...] Bei der Kreation mancher Figur aber gelingen Manchette wahre Kunststücke. [...] Etwa bei der [...] Killerin in ‹Fatal›. [...] Das Bild dieser lüsternen, zähen Einzelgängerin aber trägt man stets im Hinterkopf, wenn man sich, von krassen Tempowechseln geschüttelt, plötzlich ganz langsam, Seite für Seite, einer Massakerszene entgegenliest. [...]»
Die Zeit – Leben
«[...] Wer eine Vorliebe für Krimis härterer Gangart hat, sollte ‹Fatal› unbedingt in seinem Bücherschrank haben.»
Aurora Bücher-Info
«[...] Aimée ist die erste Killerin in der Geschichte des ‹roman noir›: professionell und unbeirrbar triumphiert sie über die Männer und schlägt sie mit ihren eigenen Waffen.»
perlentaucher.de
«[...] Manchette, 1942 geboren und 1995 gestorben, ist der Säulenheilige des hartgesottenen französischen Kriminalromans und mit dieser kurzen, atemlosen Erzählung ist ihm ein Meisterstück gelungen.»
Metropol
«[...] Für Krimi-Liebhaber sollte der 1995 gestorbene Franzose Manchette unbedingt zu den Pflichtautoren gehören, und der ideale Einstieg ist der jetzt auf Deutsch erschienene literarische Hammer ‹Fatal› [...]»
Heilbronner Stimme
«[...] [ein] Roman, der wie ein führungslos gewordener Nachtexpress durch die Fantasie des Lesers rast: 148 Seiten Neo-Polar, die mit sämtlichen Ingredienzen der Manchetteschen Erzählkunst wuchern. [...]»
Die Weltwoche
«Wiederentdeckung: Comeback für einen coolen Klassiker - Die legendären Krimis des Franzosen Jean-Patrick Manchette erscheinen neu in Deutschland.
«Gute Romane werden von Leuten geschrieben, die keine Angst haben», erklärte der Schriftsteller George Orwell einmal. Der 1995 im Alter von 52 Jahren in Paris verstorbene Jean-Patrick Manchette war solch ein Furchtloser, dessen zwölf Romane unter Krimikennern einen legendären Ruf genießen. In Deutschland werden seine Meisterwerke vom Distel-Verlag neu herausgebracht. Es ist die überfällige Rückkehr eines Klassikers, der Anfang der 70er mit seinen düster-lakonischen Romanen das Genre der Hard-boiled Fiction revolutionierte. Manchettes mal an den Psycho-Berserker Jim Thompson, mal an den literarischen Bebopper David Goodies erinnernde Romane liefern scharf abgezirkelte Geschichten: Kopfkino - hypnotisch und cool wie Stücke von Miles Davis. Allen voran der Roman «Fatal», der wie ein führungsloser Nachtexpress durch die Fantasie des Lesers rast. Auf gerade 148 Seiten entrollt der bitterböse Roman die Geschichte eines gezielten Amoklaufs. Manchette, der geschickt mit Versatzstücken aus Jazz, Kino und Literatur operiert, schreibt voller Outcast-Spot und beißender Sozialkritik. Die Romane mancher Kollegen wirken dagegen wie Bettlektüre für Astmathiker.»
stern
«Ein Manchette-«Coup» ... ein ausgefallener Roman.»
LE MONDE
«Dem Alleingänger Manchette muß der ihm gebührende Platz eingeräumt werden, seinem einzigartigen Talent, seiner Originalität, die er von niemandem kopieren konnte und die unnachahmlich bleiben wird. [...]»
LE NOUVEL OBSÉRVATEUR
«Der Handlungsstrang der Geschichte ist geschickt aufgebaut, die Spannung garantiert, der - abgespeckte - Stil sicher und überzeugend, jede Wende gut konstruiert. Bei diesem Abenteuer läuft es einem kalt den Rücken hinunter, und die Heldin zieht Sie in ihren Bann. [...] Ein guter Roman - mit der bedrohlichen Schärfe einer Dolchklinge.»
HUMANITÉ
«[...] In der schönen Neu-Edition bei Distel ist jetzt «Fatal» erschienen, ein Musterbeispiel für Manchettes Kunst der Reduktion, der Verknappung, der Ästhetik der «leeren Zwischenräume», die der Leser ausfüllen muss. Und ein frühes Exemplar der literarischen Reihe der Killerinnen. [...]»
Thomas Wörtche, kaliber .38
«(TW) „Fatale“ aus dem Jahr 1977 ist ein ziemlich enigmatischer Roman von Jean-Patrick Manchette. Ein „Sittenstück“ aus der französischen Provinz, wo nicht nur Manchette gern eine ziemlich eklige Bourgeoisie ansiedelt. Und eine Femme fatale auf die widerwärtigen Spießer loslässt, die mit Intrigen, Betrug, Machination und Blutvergießen womöglich noch weniger Probleme hat als die feisten Damen und Herren. Der Zeichner Max Cabanes hat mit Unterstützung von Manchettes Sohn Doug Headline jetzt „Fatale“ für einen prächtigen Comic adaptiert, die zweite Arbeit dieser Crew nach „Blutprinzessin (dazu mehr hier). Mit dem Unterschied, dass „Fatale“ ein voll ausgearbeiteter Roman ist, die „Blutprinzessin“ ein Fragment.
Der Comic bleibt auf der Handlungsebene im Wesentlichen vorlagentreu. Sein großes Surplus zur reinen Story ist die extrem toxische Farbdramaturgie, die die toxische Handlung schön grell erscheinen lässt. Und die Figuren als das unterstreicht, was sie sind: lächerliche aufgeblasene Leute, die dennoch tödlich gefährlich sind. Und am Ende steht eine Vision von Schönheit und Glanz. Da laufen dann Bild und Text ziemlich auseinander. Schönes, bösartiges Teil.»
Thomas Wörtche, KULTURMAG